«Wie kann ich im Vorhinein erkennen, ob eine Frau eine enge Vagina hat?», oder auch: «Was kann ich tun, wenn sie in letzter Minute ‹nein› sagt?». Die Nachrichten in der Whatsapp-Chat-Gruppe «RSD IC Zürich» sind oft sexistisch, manchmal auch übergriffig und potenziell persönlichkeitsverletzend. Zum Beispiel dann, wenn ein Gruppenmitglied ein Bild einer Bettszene mit mehreren Frauen in die Runde schickt, die klar identifizierbar sind.
Manipulative Techniken, um Frauen aufzureissen
Für die Recherche zu dieser Geschichte las unser Redaktor mehrere Monate im Chat mit. Die rund 190 Männer, die sich in diesem Schweizer Whatsapp-Chat regelmässig austauschen, sind offenbar inspiriert durch die Firma RSD «Real Social Dynamics», die bekannt wurde durch Workshops und Online-Kurse ihrer so genannten «Pickup-Artists». Gelehrt wurden manipulative Techniken, um möglichst viele Frauen ins Bett zu kriegen. Etwa Verständnis vortäuschen und dabei körperlich rangehen oder «Push and Pull»: Zuerst anrufen, beharrlich sein und Sympathie zeigen und dann nicht melden, beschimpfen und wieder von vorne.
Nachdem einer ihrer bekanntesten Coaches Julien Blanc damit angab, wie er angeblich Frauen zum Sex zwang und gar einen «Würgegriff» anpries, brach ein weltweiter Shitstorm über sie herein. Heute sind sämtliche Kanäle und Videos von RSD gelöscht, ebenso die Website.
Aufdringliche Anmachen
Doch die zweifelhaften Flirt- und Manipulationstechniken der selbst ernannten Pickup-Artists sind bei manchen Männern noch immer angesagt. Und werden auch angewendet: Elena, eine ehemalige Mitarbeiterin bei SRF Virus, erzählt Lena von zahlreichen, immer gleich ablaufenden Anmachen, die sie letztes Jahr am Hauptbahnhof Zürich erlebte: «Gefühlt jedes Mal, wenn ich durch den Bahnhof ging, wurde ich angesprochen. Es kam mir vor wie ein Déjà-vu.»
Verdacht schöpfte sie, als derselbe Mann sie innerhalb weniger Tage zweimal in ein Gespräch verwickelte und sich nicht mehr an sie erinnern konnte. Ein «Nein» wurde nicht immer akzeptiert. Um die Männer loszuwerden, musste Elena oft einfach weglaufen. Einmal wurde sie gar aufgefordert: «Jetzt hängst du das Telefon auf und redest mit mir!»
Und genau hier sieht auch Lena das Problem: «Dass sich eine Gruppe von Menschen zu einem Thema austauscht und sich gegenseitig hilft, ist ja an sich mega toll. Aber in diesen Chat schreiben sie offensichtlich auch, wenn sie abgewiesen wurden und das verstehe ich nicht und finde ich problematisch.» Und was sagen die Männer im Chat dazu? Die meisten wollten nicht mit Lena sprechen. Einer der drei Administratoren der Gruppe erklärt Lena, bei der Gruppe handle es sich um eine Art «Selbsthilfegruppe von Männern, die soziale Kompetenzen» erlangen wollten. Er distanziere sich davon, Frauen zu manipulieren, um sie ins Bett zu kriegen. Aus seiner Sicht sei es jedoch die höchste soziale Kompetenz, eine Frau zu erobern.