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Welttag der Suizidprävention «Wir müssen aufhören zu denken, man könne nichts dagegen tun»

Der 10. September steht weltweit im Zeichen der Suizidprävention, denn Suizid ist ein Tabuthema. Zusammen mit Thomas Brunner von der Pro Juventute wollen wir dieses Tabu brechen und haben mit ihm über Gründe für Suizid, Anzeichen von Suizidgedanken und Hilfestellungen für Betroffene gesprochen.

Alle zehn Minuten versucht sich in der Schweiz ein Mensch das Leben zu nehmen. Alle drei Tage begeht ein/e Jugendliche/r Suizid. Das ist eine relativ hohe Kadenz. «Ich glaube, das hat mit Beziehungen, die wir bei uns leben, zu tun», erklärt Thomas Brunner, Abteilungsleiter Beratung & Unterstützung bei der Pro Juventute.

Viele Jugendliche mit suizidalen Gedanken geben an, sich einsam zu fühlen.
Autor: Thomas Brunner Abteilungsleiter Beratung & Unterstützung Pro Juventute

«In Pakistan zum Beispiel ist die Suizidrate bei Jugendlichen viel tiefer, obwohl sie dort unter viel schwierigeren Lebensumständen als in der Schweiz leben.» Das habe damit zu tun, dass es dort viel intensivere, längere und gestandenere zwischenmenschliche Beziehungen gäbe. «In der Schweiz wird das nicht so gelebt», beobachtet Brunner. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass viele Jugendliche mit suizidalen Gedanken bei der Pro Juventute-Notrufnummer 147 angeben, sich einsam zu fühlen.

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Wer auf der Suche nach Hilfe ist, findet hier eine Auswahl an Fachstellen, die helfen können:

Einsamkeit als Hauptgrund für Suizidgedanken festlegen kann man aber nicht: «Bei jungen Menschen bis 25 ist es oftmals eine Kumulation mehrerer äusserer Umstände, für die man keine Lösung findet», so Brunner. «Wir wissen auch, dass die Betroffene eigentlich nicht sterben wollen, also keinen Todeswunsch haben.» Viel mehr sähen sie Suizid oft als die einzige Möglichkeit, der Belastung zu entkommen.

Für Suizidgedanken gibt es weder einen Hauptgrund noch ist ein Typ Mensch besonders anfällig dafür. «Es ist sicher so, dass tendenziell die gefährdet sind, die sich nicht eingestehen können, dass Menschen fehlerhaft sein können und sich somit enorm unter Druck setzen», erklärt Thomas Brunner. Aber generalisieren kann man nie. Und soll man auch nicht.

Wir müssen aufhören zu denken, gegen Suizid kann man nichts tun
Autor: Thomas Brunner Abteilungsleiter Beratung & Unterstützung Pro Juventute

Falls du aber das Gefühl hast, einem/r deiner Freunde/innen geht es nicht gut und bei dir der Verdacht aufkommt, er/sie könnte Suizidgedanken in sich tragen, gibt es ein paar Dinge, die du tun kannst, denn: «Wir müssen aufhören zu denken, gegen Suizid kann man nichts tun.»

Sprich es an

Wenn man schaue, wie viele Menschen suizidale Gedanken haben und wie viele schlussendlich eine finale Handlung durchführen, gebe es eine Diskrepanz: «Man kann etwas dagegen tun», ermahnt Thomas Brunner. Es sei zudem Quatsch, dass jemand erst auf die Idee komme, Suizid zu begehen, wenn man nach Gedanken dazu fragt.

Und reden kann retten. Das ist nicht nur der Name der momentan laufenden Suizidpräventions-Kampagne des Kantons Zürich und der SBB, sondern etwas, das laut Brunner wirklich so ist: «Wir erklären Jugendsuizidalität oft als eine Art Kommunikationsstörung; also nicht im Austausch mit seiner nächsten Umgebung stehen.»

Achte auf Zeichen

Statistisch gesehen sei der Umgang mit suizidalen Gedanken bei Männern und Frauen anders, erklärt Thomas Brunner: «In der Tendenz werden junge Männer eher lauter und riskofreudiger. Frauen hingegen sondern sich ab.» Natürlich kann man das nicht verallgemeinern. Und auch nicht jeder Mensch, der mit dem Gedanken spielt, sich das Leben zu nehmen, verändert sich: «Wenn sich Menschen auf unerklärliche Weise und vor allem plötzlich sozial anders verhalten oder Symbole verwenden, die auf den Tod hinweisen, könnte das ein Hinweis auf Suizidalität sein, muss es aber nicht.»

Sei da

Betroffene hätten oft eine Art Tunnelblick und sähen deshalb nur die Krise vor sich. «Man muss der suizidalen Person signalisieren, dass sie nicht alleine durch diese schwere Zeit gehen muss», so Brunner. Und er erklärt weiter: «Es ist wichtig, dass man Betroffenen ein Gefühl von Stabilität geben kann, bis die Spitze der psychischen Belastung überwunden ist.» Das heisst für dich: Hör zu, rede mit deinem/r Freund/in und hol Hilfe, wenn es vom/von der Betroffenen zugelassen wird.

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