An seiner 13. Ausgabe zeigte sich das «Zurich Film Festival» wieder von seiner besten Trendsetter-Seite. Auch dieses Jahr war das ZFF die mehr oder weniger einzige Möglichkeit, die ab Mitte Dezember heiss gehandelten Oscar-Anwärter rechtzeitig in einem Schweizer Kino zu sehen. Die regulären CH-Kinostarts der Oscar-Filme sind auch in dieser Saison wieder kurz vor, oder sogar erst nach der Preisverleihung angesetzt.
Während Filme wie « The Killing of a Sacred Deer », «The Square» oder «You Were Never Really Here» unseren hohen Erwartungen nicht ganz gerecht wurden, haben uns die folgenden vier Filme am #ZFF2017 besonders Eindruck gemacht:
Mit « Call Me By Your Name » ist dem italienischen Regisseur Luca Guadagnino ein in nahezu jeder Hinsicht perfekter Film gelungen. Die Geschichte um den US-amerikanischen Studenten Oliver, der während eines Sommeraufenthaltes in Norditalien Elio, dem Sohn eines Professors, den Kopf verdreht, ist am ehesten mit einem Gemälde aus der Hochrenaissance zu vergleichen.
Eine fantastische Besetzung, sensationelle Dialoge, next-level Cinematographie und ein wunderbar detailverliebtes Szenenbild: «Call Me By Your Name» dürfte nicht nur an den kommenden Oscar-Verleihungen eine wichtige Rolle spielen, der Film war auch das absolute Highlight des diesjährigen «Zurich Film Festivals» und ist dazu ein ernsthafter Anwärter zum «Film des Jahres».
Oscar-Chancen: Bester Film, Bester Hauptdarsteller (Timothée Chalamet), Bester Nebendarsteller (Michael Stuhlbarg), Bester Regisseur (Luca Guadagnino), Bestes adaptiertes Drehbuch (James Ivory).
Eine verbitterte Mutter möchte das ungeklärte Gewaltverbrechen an ihrer Tochter aufklären und gleichzeitig ihre Frustration über die ungenügende Arbeit der ortsansässigen Polizei loswerden. Das klingt auf den ersten Blick nach einem ziemlich deprimierenden Kinoerlebnis – und trotzdem wurde am diesjährigen ZFF wohl bei keinem anderen Film so viel gelacht wie beim neusten Werk von «In Bruges»-Regisseur Martin McDonagh.
« Three Billboards Outside Ebbing, Missouri » ist eine raben-pech-dunkelschwarze Tragikomödie in dessen Mittelpunkt zwei hervorragende Schauspielleistungen stehen: jene von «Fargo»-Hauptdarstellerin Frances McDormand und (Kult-)star Sam Rockwell.
Oscar-Chancen: Bester Film, Beste Hauptdarstellerin (Frances McDormand), Bester Nebendarsteller (Sam Rockwell), Bestes Drehbuch (Martin McDonagh)
Mit « Molly's Game » verfilmt Aaron Sorkin die Memoiren von Molly Bloom. Bloom organisierte in Los Angeles und New York geheime High-Stakes-Pokerabende mit Hollywood-Schauspielern – bis sie irgendwann in den Fängen der russischen Mafia landete.
Zwar spricht im «richtigen Leben» niemand so, wie es die Figuren in Aaron Sorkins Drehbüchern tun – aber es ist und bleibt einfach jedes Mal ein Genuss, wie die Figuren in Sorkins Filmen dank seinen Textschwall-Bombardements auch die langweiligsten Tätigkeiten hochspannend wirken lassen.
Das gelingt Sorkin übrigens bereits zum vierten Mal in Folge («The Social Network», «Moneyball», «Steve Jobs»), dieses Mal stand er zudem zum ersten Mal auch selbst hinter der Kamera. Die zweieinhalb Stunden von «Molly's Game» sind blitzschnell erzähltes Unterhaltungskino und vergehen wie im Flug.
Oscar-Chancen: Beste Hauptdarstellerin (Jessica Chastain), Bestes adaptiertes Drehbuch (Aaron Sorkin)
« The Florida Project » ist ein unter dem Strich ziemlich deprimierendes Portrait über zwei Motels, die in der Nähe des «Disney World»-Freizeitparks in Florida angesiedelt sind. Die Bewohner dieser Motels, darunter das 6-jährige Mädchen Moonee und ihre Mutter Halley, leben am oder unter dem Existenzminimum.
Sean Bakers Film ist lose strukturiert und kommt dank seinen Pastelltönen oftmals wie ein Traum daher. Besonders gegen Ende des Films realisiert man als Zuschauer dann aber, wie bedrückend hoffnungs- und ziellos das Leben der Protagonisten ist. Willem Dafoe brilliert als Manager des Motels.
Oscar-Chancen: Bester Nebendarsteller (Willem Dafoe)