Studien zeigen, dass wer selbständig ist, zwar mehr arbeitet, aber trotzdem glücklicher ist. Warum ist das so?
Weil die Wahrscheinlichkeit, eigene Ideen (u.U. sogar Träume) umsetzen bzw. verwirklichen zu können, in keinem Arbeitsverhältnis so gross ist, wie als Selbständiger. Die quantitative Mehrarbeit wird dabei nicht als Defizit, sondern als qualitatives Mehr erlebt, führt häufiger zu einem Flow-Erleben und damit zu einem Vergessen von Raum und Zeit. Der gerade erschienene European Working Conditions Survey zeigt zudem, dass vier Fünftel der Selbständigerwerbenden die Ausführung ihrer Aufgaben selbst bestimmen und auch 83% dieser Personen dem eigenen Arbeitstempo bzw. -rhythmus folgen können. Freiheiten, die wir bei abhängig Beschäftigten so nicht haben.
Auch wenn Selbständige - trotz der positiv wirkenden Bedingungen - nicht durch die Bank glücklicher sind, so ist die Arbeit für sie doch in viel höheren Masse sinnvoll, als wir dies in «Normalarbeitsverhältnissen» empirisch nachweisen können: Sinngenerierungschancen in der Arbeit ist also eine Voraussetzung für Glück und nicht Selbständigkeit an sich; auch für abhängig Beschäftigte kann ich mir - als Arbeitspsychologe - sinnvolle Arbeitsbedingungen vorstellen.
Was braucht es, um erfolgreich selbständig zu sein?
Leidenschaft für das, was ich tun will, auch wenn es dann (leider zu oft) in Routine endet und immer mehr Management- statt Sach- und Fachkompetenz verlangt.
Das Mass an Leidenschaft führt zu grösserer Risikobereitschaft (als bei jemandem, der Angestellter wird) und auch dazu, sich Konflikten zu stellen und hierbei entweder eine Integration der unterschiedlichen Interessen zu erreichen, oder aber sich durchzusetzen: Unter den Teppich gekehrt wird eher von Führungspersonen, die sich in gesicherten Positionen befinden.
Woran scheitert eine Selbständigkeit am häufigsten?
Letztlich scheitern Selbständige häufig daran, weil sie zu viel Risiko auf sich genommen haben, das Vorhaben doch zu ambitioniert, oder der Businessplan zu schlecht war. Eine Ärztin, oder ein Ingenieur, der sich selbständig macht, hat zudem meist im regulären Studium nicht gelernt, wie man das macht. Sie oder er hoffen auf «Learning by Doing», was eine gute, aber nicht immer die beste Methode ist.
Familienunternehmen scheitern auch deshalb seltener, da man als Sohn oder Tochter in das Unternehmen «hineinwächst» und nicht wie bei Neugründungen «hingeworfen» wird.
Gesamtgesellschaftlich ist Scheitern von Unternehmensgründungen heute (erst recht in den USA) kein wirkliches Tabu mehr, so dass häufig die «Second Chance» mit mehr Erfahrung und erweiterten psychischen Widerstandskräften (Resilienz) angegangen wird; einen guten Businessplan braucht es dabei aber immer noch und einen Garantieanspruch auf das Gelingen haben auch einmal Gescheiterte nicht.
Selbständige folgen häufig ihrer Berufung: Kann ich auch als Angestellte/r meine Berufung ausleben?
Als Hochschullehrer konnte ich das - an der ETH erst recht. Als kaufmännischer Lehrling, als Mitarbeiter auf einer Bank und in einem Rechenzentrum in den 1960er Jahren konnte ich nicht meine Berufung erspüren oder ihr nachgehen und weiss heute aus Studien, dass dies den meisten Angestellten immer noch nicht gelingt. Was fehlt sind Handlung- und Entscheidungsspielräume, nicht nur auf der Ebene der Fachkräfte, sondern auch für gelernte und selbst für angelernte Mitarbeitende und ebenfalls auf den Führungsetagen.
Fehlende Autonomie wiederum hat mit überhöhtem Kontrollbedürfnis zu tun - das wiederum haben Führungskräfte und Management geführte Unternehmen reichlich. So hat es mich zwar enttäuscht aber nicht verwundert, dass in der bereits oben genannten «Sechsten Europäischen Erhebung über die Arbeitsbedingungen 2015» schweizweit die Gestaltungsspielräume für abhängig Beschäftigte abnehmen.
Eine Studie vom SECO zum Thema gibt's hier .