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Arbeiterschaft demonstiert am Zaun der Villa, im Vordergrund das knallrote Auto
Legende: Jetzt wissen wir, welchen Zweck unsere Nachtschicht hatte: die Fabrikantenfamilie hat ein knallrotes Auto gekauft. SRF/Oscar Alessio

Tagebuch Zehnter Eintrag: Ein knallrotes Auto

Heute Morgen geschah nicht viel. Dass wir alle müde waren gehört auch schon langsam zum Alltag. Eins gab es doch, nämlich musste ich (wieder einmal) das Büro des Buchhalters putzen.

Später gab es dann eine Überraschung von der Seite Fabios. Die Fabrikanten waren zurückgekehrt, mit einem schönen neuen Auto. Jetzt wissen wir, welchen Zweck unsere Nachtschicht hatte. Es gab eine lange Diskussion über Ungerechtigkeit.

Die Arbeiter versammelten sich dann vor dem Gasthaus Löwen und es wurden rote Flaggen und Schilder mit Sprüchen wie «Bier macht dumm, dick und faul», «48 Stunden Woche» und «Gerechter Lohn» verteilt. Wir liefen dann von der Villa gesehen von links der Strasse entlang und riefen Wörter wie «Mehr Lohn», «48 Stunden-Woche» und «mir händ Hunger». Als wir beim Schlafzimmerfenster die Fabrikanten sahen, blieben wir stehen, rüttelten am Tor, riefen unsere Forderungen und beschimpften sie als Halsabschneider oder Hochstapler. Irgendwann schlossen sie dann den Vorhang, was die Wut noch mehr steigerte. Wir riefen noch ein bisschen bis wir dann - vereinzelt laut protestierend - weiter gingen. Beim nächsten Tor sahen wir dann das nigelnagelneue Auto, das die Fabrikanten gekauft hatten. Das machte manche von uns wütend.

Vor dem Löwen teilte sich dann die Gruppe. Ich und andere standen in kleinen Gruppen noch vor der Beiz und der Rest, vorwiegend Frauen, gingen nach Hause. Als meine Gruppe sich lichtete ging ich auch in unser Kosthaus. Dort besuchte uns nach einer Weile Greti und Marianne. Die sassen dann auf dem Sofa und schwatzten mit meinen Eltern.

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