Der erste weibliche Skistar der Schweiz putzt mit Schaufel und Besen die letzten Wachsreste vom Tisch. Eben hat sie für die Kundschaft einen Ski präpariert. «Ich bin Maite», stellt sie sich vor. Seit ihrer Pensionierung vor einem Jahr hilft sie ihrem Bruder Thomas im Skisportgeschäft in den Flumserbergen.
«Maite» Nadig beglückt die Schweiz
Marie-Theres Nadig, oder eben «Maite» wurde 1972 auf einen Schlag berühmt. An den Olympischen Winterspielen in Sapporo gewann sie völlig überraschend zweimal Gold. Sie schlug die haushohe Favoritin aus Österreich, Annemarie Pröll.
«Eine Woge der Begeisterung ging durch das schweizerische Volk», kommentierte damals die «Tagesschau» des Schweizer Fernsehen nach den Siegen von Nadig. «Ich war mir der Tragweite des Ganzen überhaupt nicht bewusst, ich war ja noch so jung», sagt Marie Theres Nadig. Sie war damals 17 Jahre alt.
Die Winterspiele in Japan gingen in die Geschichte ein als die «goldenen Tage von Sapporo». Insgesamt 10 Medaillen brachten die Schweizer Sportler heim. Marie-Theres Nadig und Bernhard Russi waren die Alpin-Stars und beflügelten den Schweizer Skisport. Nadig sagt, sie hätte gewiss mehr aus ihren Erfolgen machen können. Doch sie sei nicht der Typ dazu. «Mein Pendant ist Bernhard Russi. Er macht das hervorragend, doch ich konnte und wollte das nicht.»
Skifahren war selbstverständlich
Während ihrer Kindheit sei Skifahren in den Flumserbergen selbstverständlich gewesen, erzählt Nadig. «Es gab ja nichts anderes! Für mich hat Skifahren Freiheit bedeutet.» Die Zeiten hätten sich geändert. «Die Jungen haben heute viel mehr Möglichkeiten». Die ehemalige Rennfahrerin wurde nach ihrem Rücktritt Skitrainerin. Dass Junge sie nicht mehr erkennen und keine Ahnung von ihrem einstigen Status haben, nimmt sie gelassen. «Ich bin froh, wenn man mich nicht erkennt. Ich tue nicht immer schön!»
Goldene 80er Jahre
Der bisherige Höhepunkt des Schweizer Skisports folgte fünfzehn Jahre nach Sapporo: An der WM im eigenen Land, 1987 in Crans Montana. Die Schweizer holten knapp die Hälfte aller Medaillen und produzierten Skistars am Laufmeter.
Unter ihnen: Vreni Schneider und Peter Müller. Dank der Dichte der Stars und des Erfolgs, schien die Skibegeisterung in der Schweiz Ende der 1980er Jahre grenzenlos. Peter Müller sagt: «Es war eine geile Zeit, nur habe ich sie zu wenig genossen.»
Mit Skifahren zum Millionär
Der erfolgreichste Schweizer Abfahrer hat heute ein Skisportgeschäft in Baar. Das sei allerdings nur noch Hobby. Richtig gut Geld verdient habe er mit Skifahren.
Auf die Frage, ob er Millionär geworden sei, sagt er: «Logisch, keiner hat an Grossereignissen fünf Medaillen hintereinander gemacht. Das hat die Skiindustrie auch gesehen.» Ehemalige Skihelden hätten allerdings einen schweren Stand in der Schweiz. In Österreich sei das ganz anders, sagt Müller.
'Alles fährt Ski' gilt nicht mehr
Schneie es den Leuten nicht auf den Kopf, fahre niemand Ski, sagt der ehemalige Skirennfahrer Peter Müller. Das merke er gut in seinem Geschäft. «Wer nicht in einem Skigebiet wohnt, geht nicht Skifahren, das schleckt niemand weg.»
Schlittler statt Skifahrer
Dass sich die Zeiten geändert haben, merkt auch Vreni Schneider. Die Ski-Ikone der 80er und 90er Jahre führt eine Ski-Snowboard-und Rennschule in ihrem Heimatort Elm. «Kommen heute Schulklassen aus dem Unterland hierher, dann sind achtzig Prozent Schlittenfahrer. Das ist natürlich schlecht.»
Skistars gehen vergessen
Vreni Schneider gilt als die erfolgreichste Schweizer Skifahrerin aller Zeiten. Doch von den Jungen werde sie nicht mehr erkannt, sagt sie. Es sei denn, die Eltern schickten die Kinder, ein Autogramm von ihr zu holen. Dann kämen dann Fragen wie: «Gell, sie sind die beste Skifahrerin?» Ihre Antwort sei dann jeweils: Das war einmal!
Die Knie seien vom Profisport kaputt. Sie sei froh, wenn sie nicht mehr zu lange am Stück Skifahren müsse. Das überlässt sie lieber ihren beiden Buben, die Rennfahrer werden wollen. Mutter Vreni Schneider sagt: «Es ist gut, ist es vorbei, aber ich würde alles wieder machen.»