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Leben mit Neurodivergenz ADHS bei Erwachsenen: Anpassung bis zum Burnout

Geschätzt 500'000 Menschen in der Schweiz sind von ADHS betroffen. Viele davon versuchen sich mit aller Kraft an alltägliche Strukturen, ob beruflich oder privat, anzupassen. Sich ständig verbiegen zu müssen, endet für viele Betroffene in tiefschürfenden Lebenskrisen.

«Vergewaltigung für mein Hirn», so beschreibt Anna Vichery die beruflichen Strukturen, mit welchen sie zurechtkommen musste. Die 40-Jährige arbeitete als Kindergärtnerin, nach einigen Jahren führte der Berufsalltag mit ADHS zum Burnout.

Sängerin Anna Vichery
Legende: Anna Vichery strahlt heute wieder. Nach zwei Burnouts hat sie eine radikale Neuausrichtung hinter sich. SRF

«Ich musste mich so fest hineinpressen», sagt die Sängerin. Die vorgegebene Lektionslänge, oder die Computer und Organisationsarbeiten machten es schwierig. Das Burnout hat Anna Vichery schliesslich dazu veranlasst, ihr Leben zu verändern. Zurzeit absolviert sie eine Umschulung zur Erwachsenenbildnerin und sie ist umgezogen. Sie lebt nun abgelegen in einer reizarmen Umgebung und hat eine neue Beziehung.

Was bedeutet «ADHS»?

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ADHS ist die Abkürzung für Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung und ist durch Auffälligkeiten in folgenden drei Kernbereichen gekennzeichnet: 

  • Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen,
  • Impulsivität 
  • ausgeprägte körperliche Unruhe (Hyperaktivität). 

Viele Betroffene haben aufgrund ihrer ADHS auch besondere Ressourcen. Impulsivität kann sich beispielsweise in Spontaneität, Flexibilität und auch in Kreativität ausdrücken.

Das ADHS in seiner ihrer Anlage wird vererbt. Es handelt sich um eine Transporterstörung der Botenstoffe Dopamin, Noradrenalin und Serotonin.

Sie möchte künftig nur noch kreativ arbeiten. Hier ist das ADHS sogar ein Vorteil, sagt Vichery. Dass sie so viel gleichzeitig aufnehmen könne, stärke ihre Kreativität.

Eine vollständige Anpassung komme für sie nicht mehr infrage. Zu stark sei ihr ADHS, dadurch funktioniere sie einfach anders als die meisten Menschen.

Symptome von ADHS äussern sich unterschiedlich

Für Menschen mit ADHS ist es schwierig, sich zu konzentrieren. Aber auch Impulsivität oder innere Unruhe gehören zu den Symptomen.

Umgang mit ADHS

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Reporterin Rahel Lenz erkundet, wie unterschiedlich Menschen mit ADHS umgehen und zeigt in der neusten «rec.»-Folge auf: ADHS kann im richtigen Umfeld auch eine grosse Gabe sein. Betroffene sind extrem kreativ und können sich bei grossem Interesse überdurchschnittlich gut konzentrieren. Die Fachwelt nennt diesen Zustand Hyperfokus.

Bei Frauen äussert sich ADHS oft ohne die klassische Hyperaktivität, auffällig sind hier vor allem eine Verträumtheit oder Probleme, den Alltag zu strukturieren. Mädchen mit ADHS werden deswegen im Kindesalter oft übersehen oder fehldiagnostiziert.

Fachleuten fehlt oft das Wissen, einige bagatellisieren ADHS sogar.
Autor: Ursula Davatz Psychiaterin

In der Folge entwickeln sich bei ihnen Krankheiten wie Depressionen oder Essstörungen. «Fachleuten fehlt oft das Wissen, einige bagatellisieren ADHS sogar», so Psychiaterin Ursula Davatz. Die 80-Jährige forscht seit 40 Jahren im Bereich ADHS und bemängelt auch den Umgang, den das Bildungssystem mit der Aufmerksamkeitsdefizit- /Hyperaktivitätsstörung pflegt.

Medikamente könnten den Leidensdruck in gewissen Situationen lindern, sagt Davatz. Medikamente seien aber nicht für alle Betroffenen die richtige Lösung. Besonders in kreativen Berufen bewirke Methylphenidat das Gegenteil und schränke die Wahrnehmung ein.

Davatz spricht nicht von einem Aufmerksamkeitsdefizit, sondern von einer Aufmerksamkeitsbreite. Betroffene nehmen mehr wahr als die meisten Menschen, das sei für kreative Berufe wichtig.

Heutiger Forschungsstand

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ADHS galt bis in die 90er-Jahre als eine auf das Kindesalter beschränkte Entwicklungsstörung. Das Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätssyndrom kennt man im Volksmund bis heute als «Zappelphilipp-Syndrom».

Eine Anspielung auf den typischen Bewegungsdrang vieler ADHS-Buben. Heute ist wissenschaftlich belegt, dass auch Erwachsene unter der Störung leiden. ADHS ist genetisch bedingt, betrifft auch Erwachsene und kommt bei Frauen in etwa so häufig wie bei Männern vor.

Oft helfe es auch, sich von den negativen «Labels» der Krankheit zu emanzipieren. ADHS-Betroffene lernen so das «anders Funktionieren» zu akzeptieren, ohne es zu bewerten und sie können Strategien entwickeln, die ihren Alltag erleichtern.

ADHS als Gabe

Auch Marc-André Flück beschäftigt sich mit solchen Strategien. Selber setzt er auf Transparenz und spricht offen über seine eigene Betroffenheit.

Medikamente sind wieder eine Anpassung. Ich will mich selbst bleiben.
Autor: Marc-André Flück Schauspieler

Heute gibt er seine Erfahrungen weiter und coacht andere ADHS-Betroffene. Medikamente kommen für ihn nicht infrage. «Medikamente sind wieder eine Anpassung. Ich will mich selbst bleiben», sagt der Schauspieler.

Schauspieler Marc André Flück
Legende: Marc André Flück will ADHS verstehen. Die Gesellschaft soll aufgeklärt werden. SRF

Sein Wissen rund um ADHS hilft dem Entertainer. Er, der wegen ADHS mit Suizidgedanken kämpfte, will jetzt aktiv werden: Die Gesellschaft wisse noch zu wenig über ADHS, das möchte Flück ändern.

Radio SRF Virus, 12.12.2023, 10:00 Uhr

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