Themenschwerpunkte - «Gewerkschaften sind als Machtfaktor nicht zu unterschätzen»
«ECO» widmete sich in einer Spezialsendung Gewerkschaften. Weshalb es sich über sie zu reden lohnt und welche Atmosphäre eine stillgelegte Fabrik ausstrahlt, sagt Reto Lipp im Interview.
Was rechtfertigt eine Sondersendung zum Thema Gewerkschaften?
«ECO»-Moderator Reto Lipp: Gewerkschaften sind ein zentraler Faktor in der Wirtschaft, wie auch die Arbeitgeber-Vereinigungen. Deshalb ist es wichtig – gerade auch im Hinblick auf den 1. Mai – einmal die Rolle und die Zukunft der Gewerkschaften zu beleuchten.
«ECO Spezial»
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Gewerkschaften – Kampf gegen die Bedeutungslosigkeit
Die Gewerkschaften waren traditionell stark im Industriesektor vertreten – und sie leiden natürlich darunter, dass dieser Sektor eher Arbeitsplätze reduziert. Zudem haben die Gewerkschaften in den letzten vier Jahrzehnten rund ein Viertel ihrer Mitglieder verloren. Und der Kampf gegen den Mitgliederschwund geht weiter.
Braucht es überhaupt noch Gewerkschaften?
Auch heute haben Gewerkschaften eine wichtige Aufgabe, weil sie für die Arbeitgeber Ansprechpartner sind und die vielen verschiedenen Ansprüche aus der Mitarbeiterschaft kanalisieren und formulieren. Zudem sind Lohnverhandlungen ohne Gewerkschaften kaum möglich. Gleichzeitig mischen die Gewerkschaften – und das ist stark umstritten – immer stärker in der Politik mit. Sie sind darum als Machtfaktor nicht zu unterschätzen.
Sie werden die Sendung aus der stillgelegten Kartonfabrik Deisswil präsentieren. Wie hat diese Industriebrache auf Sie gewirkt?
Es war sehr eindrücklich: Die ehemalige Kartonfabrik ist ein Industrie-Grab. 250 Menschen hatten hier ihr Einkommen und ihre Arbeit. Nun sind die Jobs einfach weg, und die Maschinen stehen still. Das macht nachdenklich, denn das Schicksal dieser Fabrik zeigt exemplarisch, wie die klassische Industrie in der Schweiz an Boden verliert. Und diese war ja das Kern-Potenzial der Gewerkschaften.
Positiv ist allerdings, dass inzwischen praktisch alle Arbeiter, die hier ihren Job verloren haben, wieder eine Beschäftigung gefunden haben – viele von ihnen bei Unternehmen, die sich auf dem Gelände angesiedelt haben oder gar dort neu gegründet wurden.
Für die Sendung haben Sie auch ein Streitgespräch mit Daniel Lampart und Beat Kappeler geführt. Wie sind die Positionen?
Die Meinungen liegen zwar weit auseinander – aber eine Erkenntnis ist sicher, dass eine moderne Volkswirtschaft nicht ohne Interessen-Vertreter für die Arbeitnehmer auskommt. Die entscheidende Frage ist, wie diese Interessen-Vertretung aussehen soll. Es müssen ja nicht unbedingt Gewerkschaften sein. Es können auch Berufsverbände oder Interessen-Ggemeinschaften sein.
Sind Sie eigentlich selbst in einer Gewerkschaft?
Ich bin Mitglied der Journalistenvereinigung Impressum, die sich explizit nicht als Gewerkschaft versteht, sondern als Berufsvereinigung für Journalisten. Ich bin nicht gewerkschaftlich aktiv, das fände ich für mich als Wirtschaftsjournalisten problematisch. Wir berichten ja genau über solche Themen – zum Beispiel eben mit dieser Spezialsendung.
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