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Am 14. August 2008 reichten Landschaftsschützer in Bern die Iniative «Raum für Mensch und Natur» ein.
Legende: Geschlossen gegen Zersiedelung: Am 14. August 2008 reichten Landschaftsschützer in Bern die Iniative «Raum für Mensch und Natur» ein. Keystone

Einstein Online Abstimmungskampf um jede Hektare

Die Raumplanung in der Schweiz ist seit langem umstritten. Die Volksinitiative «Raum für Mensch und Natur» hat die Kritik gebündelt – und die Politik bereits in Bewegung gebracht. Im März 2013 wird ein erster Entscheid fallen.

Mit der Initiative «Raum für Mensch und Natur» sorgen 16 Organisationen, darunter die Grünen, Pro Natura, Greenpeace und die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, seit Juli 2007 für zustimmendes Nicken, Kopfschütteln, Ärger und Freude. Kein Wunder, würden die Forderungen der so genannten Landschaftsinitiative doch eine echte Kehrtwende in der Raumplanung bewirken.

In Zukunft soll das Kulturland geschützt sein; Baugebiete wären von Nichtbaugebieten zu trennen. Siedlungen sollen «nach innen» entwickelt werden, also in die bestehenden Wohnzonen hinein. Und als Übergangsbestimmung dürfte die Gesamtfläche der Bauzonen während 20 Jahren nicht wachsen – abgesehen von begründeten Ausnahmen, die der Bundesrat zu bewilligen hätte.

«Bund legt Grundsätze der Raumplanung fest»

Die Verantwortung für die neue Bodenpolitik sollen Bund und Kantone «gemeinsam übernehmen», schrieben die Initianten mit Blick auf die Vergangenheit, «statt auf die Untätigkeit des andern zu verweisen». Bern hätte bei einem geänderten Artikel 75 dabei grössere Kompetenzen: «Der Bund legt Grundsätze der Raumplanung fest», heisst es im Entwurf, «er fördert und koordiniert die Raumplanung der Kantone».

Zur Folge hätte dies nicht nur, dass kantonale Kompetenzen beschnitten würden. Einzonungen würden seltener, weil zuerst die Baulandreserven genutzt werden müssten, die bereits zur Verfügung stehen. Weil die Gesamtbaufläche für zwei Jahrzehnte eingefroren würde, wäre der heutige Zustand mehr oder weniger festgeschrieben – und damit würden jene Kantone belohnt, die in der Vergangenheit grosszügig Bauland ausgewiesen hatten, wie die «Neue Zürcher Zeitung» analysierte.

Die 100‘000 nötigen Unterschriften für die Landschaftsinitiative wurden deutlich übertroffen und im August 2008 bei der Bundeskanzlei eingereicht, mehr als vier Monate vor Ablauf der Sammelfrist. Die strategische Antwort des Bundesrats folgte im Januar 2010. Er empfahl die Initiative zur Ablehnung und legte einen indirekten Gegenvorschlag vor – in Gestalt einer Revision des Raumplanungsgesetzes, die spürbare Folgen hätte.

Einschneidende Massnahmen vorgeschlagen

Die Baulandreserven wären demnach auf den voraussichtlichen Bedarf der nächsten 15 Jahre auszulegen; weit weniger, als in manchen Kantonen bereits verplant. Betroffene sollen eine Entschädigung bekommen, unter anderem aus Mitteln, die bei neuen Einzonungen in die Staatskasse fliessen: Wird Kulturland in Bauland umgewandelt, sollen die Eigentümer 20 Prozent des gewonnenen Wertes zahlen, sobald sie das Land überbauen oder verkaufen.

Nach lebhaften Debatten stimmten Ständerat und Nationalrat der Revision im vergangenen Juni zu – gegen die Voten der Mehrheiten von FDP und SVP-Fraktionen, doch mit dem Segen eines grossen Teils der CVP. Woraufhin der Trägerverein der Landschaftsinitiative sein Einverständnis signalisierte und sie «bedingt» zurückzog, also nur für den Fall, das neue Gesetz tritt tatsächlich in Kraft.

Mindestens eine Abstimmung zur Raumplanung

Was freilich abzuwarten bleibt. Der Walliser CVP-Parteipräsident Christoph Darbellay votierte nicht nur bei der Abstimmung gegen den Entwurf, sondern lobte in der Presse auch den Widerstand der Jungen CVP, die das Referendum gegen das Raumplanungsgesetz unterstützte – mit der Begründung, es schade den Interessen ländlicher Kantone und gefährde die föderale Struktur der Schweiz.

Mit Erfolg: Die Gegner, darunter der einflussreiche Schweizerische Gewerbeverband (sgv) und der Hauseigentümerverband, sammelten 69‘277 gültige Unterschriften. Abgestimmt wird am 3. März 2013. Sagt das Volk Nein, würde die bedingt zurückgezogene Landschaftsinitiative wieder «aktiviert». Sagt das Volk Ja, wollen die Initianten aus der Vergangenheit lernen und die Umsetzung «mit Argusaugen verfolgen und vehement einfordern», wie der Trägerverein bereits angekündigt hat. So oder so: Das Thema wird das Land noch lange beschäftigen.

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