Vom Riss in der Wand bis zum verfrühten Abriss eines ganzen Gebäudes: Das Bauen auf Permafrostböden, die allmählich auftauen, birgt grosse Risiken. Beim Bergrestaurant Pardorama im österreichischen Skigebiet Ischgl wird das Problem mit einem ausgeklügelten System angegangen. Da der Boden allmählich talwärts rutscht, wird das 3'600-Tonnen-Gebäude darauf einmal jährlich neu justiert, wie «Einstein» berichtet.
Das Bauwerk steht auf drei Stützen. So bleibt das Tragwerk eine ebene Fläche, wenn der Boden nachgibt und kann sich – anders als bei vier Fundamenten – nie verwölben. Spannungen, die Risse oder schwerere Schäden am Gebäude verursachen, können damit gar nicht erst entstehen. Und mit Hilfe hydraulischer Pressen lässt sich der Koloss bei Bedarf wieder in die Waagerechte heben.
Vorbeugen gegen die Schmelze
Nicht alle Bauwerke, die in Permafrostgebieten nötig sind, können so aufwendig gesichert werden wie das Pardorama. Finden die Ingenieure kein festes Gestein vor, um die Fundamente sicher zu verankern, helfen zuweilen schon simple Ideen. Seilbahnstützen beispielsweise werden nicht fix im Untergrund verankert, sondern auf Querschienen auf das Fundament gestellt. Bewegt sich der Boden zur Seite hin, können die Stützen in ihre ursprüngliche Position zurück verschoben werden – auch mit Blick auf einen sicheren Betrieb.
«Bewegungen in Längsrichtung sind weniger problematisch, weil das Seil der Bahn dann nicht aus der Führung springen kann. Aber bei Querverschiebungen kann das durchaus vorkommen», sagt Fachmann Hans-Rudolf Keusen, der am Leitfaden «Bauen im Permafrost» der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) beteiligt war.
Auch Lawinenverbauungen müssen oft in Permafrost verankert werden – und im Ernstfall dem Druck von Stein- oder Schneemassen standhalten. Die Netze, die den Schnee auffangen, sind an sogenannten Pendelstützen aufgehängt, die nicht fest im Boden verankert sind, sondern im Permafrostboden sozusagen schwimmen. Spannkabel sorgen dafür, dass die Stützen stehen bleiben. So entsteht ein Toleranzbereich, in dem sie beweglich sind, ohne dass die Statik darunter leidet.
An den Grenzen der Bautechnologie
Trotz technischer Innovationen ist es laut Keusen unerlässlich, die Bauwerke ständig zu beobachten. Und weil sich die Bodenbewegung – vor allem in Gebirgsregionen – letztlich kaum beeinflussen lässt, begrenze ein Permafrostboden die Lebensdauer. «Auch in Ischgl werden die Ingenieure das Gebäude nicht beliebig weit nach oben heben können, um die Senkung des Bodens auszugleichen», sagt der Ingenieur, «das heisst aber nicht, dass es dann wieder abgerissen wird. Manchmal genügt es auch, die Fundamente neu zu konstruieren.»
Den Boden vor Wärme schützen
Dass es in Permafrostböden taut, liegt nicht immer nur am Klimawandel. Auch Bauwerke, die beheizt werden, strahlen Wärme ab. Das kann zur Folge haben, dass der Permafrost darunter auftaut. Deshalb versuchen Ingenieure, Bauwerke so gut wie möglich thermisch vom Boden abzukoppeln. «Eine herkömmliche Isolation reicht dabei nicht», sagt Keusen. Beim Bergrestaurant am Jungfraujoch sorgen Spalten zwischen Fels und Gebäude dafür, dass dort kalte Luft zirkuliert – eine Barriere, die verhindert, dass Wärme in die kalte Felswand gelangt.
In Polarregionen sind dagegen häufig Häuser auf Pfählen zu sehen. Diese Methode dient demselben Zweck. Manchmal jedoch reicht die natürliche Luftzirkulation nicht aus, um den Permafrostboden zu konservieren – zum Beispiel, wenn die Pfähle durch das Gebäude erwärmt werden. Abhilfe schafft entweder eine strombetriebenes Kühlsystem oder ein Wärmetauscher. Er entzieht der kalten Umgebungsluft ohne Energieaufwand Kälte und führt sie in den Boden.
Permafrost mitten in der Stadt
Permafrost findet sich allerdings nicht nur in Berg- und Polarregionen, sondern auch im Mittelland. Unter Kunsteisbahnen kann er sich durch die jahrelange Kühlung des Bodens bilden und für Probleme sorgen. Weil Eis ein grösseres Volumen als Wasser hat, dehnt sich der Boden unter der Anlage aus; so entstehen Risse, die wiederum das Gebäude beschädigen können.
Eine wirkungsvolle Gegenmassnahme ist in diesem Fall simpel, wenn die Konstrukteure sie rechtzeitig einplanen. Eine frostsichere Kiesschicht unter dem Gebäude verhindert, dass sich Permafrost bilden kann. Eine druckfeste Dämmung darüber sorgt dafür, dass ein grosser Teil der Kälte gar nicht erst in den Boden dringt – und erspart dem Betreiber obendrein viel kostspielige Energie, um die Eisbahn zu kühlen.