In der Forschungsanlage Mongstad in Norwegen erkunden zahlreiche Wissenschaftler, wie sich das Klimagas Kohlendioxid nach der Verbrennung von Öl, Kohle oder Gas möglichst effizient und sauber vom Abgas trennen lässt, wie «Einstein» berichtet. Und am deutschen Pilotstandort Ketzin forschen Geologen daran, das Verständnis der Speicherung von CO2 in der Tiefe zu erweitern und die Lagerung sicher zu überwachen.
Was für Kohle- und Gaskraftwerke in Europa noch im Pilotstadium steckt, wird an einigen Förderstätten jedoch bereits in grossem Stil praktiziert: CO2-Abscheidung und -Speicherung, auch CCS genannt (Carbon Capture and Storage). Zum Beispiel in Krechbar in Algerien. Auf dem Gasfeld In Salah fördern die Betreiber Erdgas aus der Tiefe, das sie von überflüssigem Kohlendioxid befreien.
Das CO2 wird vor Ort hochverdichtet, damit es sich wie eine Flüssigkeit verhält, und anschliessend mit hohem Druck durch drei Injektionsbohrungen in die Tiefe gepumpt – bis in eine Zone aus porösem Sandstein, die unter einer mächtigen Schicht aus undurchlässigem Tongestein liegt. So soll das Gas dort für unbegrenzte Zeit gefangen bleiben.
Millimeter-Bewegungen im Wüstensand
Um Schäden für Mensch und Umwelt zu verhindern, wird das Projekt, das seit 2004 im Gange ist, auf vielfältige Weise überwacht: von Drucksensoren in der Tiefe über dreidimensionale seismische Verfahren bis zur Satellitenüberwachung mit dem System Insar, das aus mehreren Radar-Aufnahmen selbst kleinste Verschiebung des Wüstenfläche ermittelt. In der Region, wo das Kohlendioxid verpresst wird, erfasste Insar, dass sich der Boden von 2003 bis 2008 um rund 20 Millimeter hob.
Für den deutschen Geologen Ralf Krupp ein Warnsignal: «Der Druck in der Speicherzone für das CO2 ist offenbar schon gross. Ich gehe davon aus, dass es im Boden schon Risse gibt», sagt der erklärte Gegner des Verfahrens, der eine Expertise für den deutschen Naturschutzverband BUND verfasst hat. Er mutmasst zwar, dass sich Kohlendioxid in Gesteinsschichten oberhalb des vorgesehen Reservoirs verteilt haben könnte. Doch ein sicherer Nachweis fehlt bislang.
Zudem wurde ein CO2-Ausstoss in dieser Zone nicht entdeckt. «Solche Bodenbewegungen sind noch kein Anlass zur Sorge», sagt Mischa Werner vom Institut für Verfahrenstechnik der ETH Zürich, der sich seit Jahren mit CCS-Verfahren befasst, «das ist kein ungewöhnlicher Vorgang. In dem Gebiet in In-Salah, wo Erdgas entnommen wurde, hat sich der Boden in ähnlichem Ausmass gesenkt.»
Pilotprojekt im Visier von Umweltschützern
So argwöhnisch wie das In-Salah-Projekt beobachten die Gegner fossiler Energieträger auch die Sleipner-Plattform von Statoil. Der norwegische Ölkonzern begann das Projekt, nach dem die Regierung 1991 eine CO2-Steuer beschlossen hatte, um den Ausstoss des Klimagases vor der Küste zu verringern. Seit Oktober 1996 speichert Statoil pro Jahr rund eine Million Tonnen hochverdichtetes Gas in die Utsira-Formation: eine Schicht aus porösem Sandstein, die in mehr als 1000 Metern Tiefe liegt.
Greenpeace International kritisiert diese Arbeiten seit Jahren. Zum Beispiel in einem Bericht im Jahr 2009: Das Kohlendioxid, so die Umweltschützer, breite sich nach oben, in Richtung der schützenden Gesteinsschicht, weitaus schneller aus, als die Betreiber vorhergesagt hätten. ETH-Forscher Werner sieht darin allerdings noch kein Problem: «Je höher die Ausbreitungsgeschwindigkeit, desto besser ist es eigentlich», sagt er, «denn dann verteilt sich das CO2, wie gewünscht, rasch im gesamten Porenraum.»
Forschungsexpedition im Auftrag der EU
Sind die Sorgen von Umweltschützern berechtigt oder nicht? Der Meeresbiologe Klaus Wallmann vom Geomar-Institut für Ozeanforschung in Kiel kennt die Verhältnisse vor Ort aus Erfahrung. Er leitet das internationale Eco-2-Projekt, mit dem die EU mögliche Gefahren durch die CCS-Technologie erkunden will. Vier Schiffsexpeditionen haben bereits die Sleipner-Plattform und die Umgebung untersucht – just dort, wo das CO2 in der Tiefe heute eine Fläche von 10 Quadratkilometern einnimmt.
Mit schwerem Tauchgerät fahndeten die Teams auf dem Meeresboden nach CO2-Fontänen oder Gasblasen, die aus der Tiefe steigen. «Bisher haben wir kein Kohlendioxid gefunden, das aus dem Sandstein stammt», sagt Wallmann. Beim Sleipner-Tiefenlager ist aus seiner Sicht davon auszugehen, dass es auf absehbare Zeit sicher sei. «Aber selbst, wenn CCS sicher betrieben wird», setzt der Forscher hinzu, «kann man nicht davon ausgehen, dass ein Reservoir für alle Zeit wirklich zu 100 Prozent dicht bleibt.»
CCS dereinst auch im Mittelland?
Und in der Schweiz? Die Möglichkeiten, CO2 im Untergrund zu lagern, sind jedenfalls schon ausgelotet. Wo die geologischen Verhältnisse CCS ermöglichen würden, zeigt eine Karte, die auf einem Fachbericht für das Bundesamt für Energie basiert: Geeignete Zonen liegen demnach nicht in den Alpen, sondern in einem Streifen, der sich von Fribourg nordostwärts fast bis nach Baden zieht.
Etwa für den Fall, dass die geplante Energiewende der Schweiz den Bau von Gaskraftwerken nach sich zieht. «Ein 400-Megawatt-Kraftwerk, das beispielsweise das AKW Mühleberg ersetzen könnte, würde den CO2-Ausstoss in der Schweiz pro Jahr um 2,5 Prozent steigern», sagt ETH-Verfahrenstechniker Mischa Werner, «CCS könnte als Übergangstechnologie helfen, um unsere Klimaziele zu erreichen, bis wir durch die Ausrichtung auf erneuerbare Energie und Effizienz darauf verzichten können.»
Das Foschungsprojekt Carma, das die ETHs in Zürich und Lausanne mit weiteren Instituten bis Ende Jahr abschliessen werden, soll aufzeigen, welches Potenzial die CO2-Verpressung in die Tiefe in der Schweiz haben könnte. Eine theoretische Grundlage also – für die Debatte in der Politik, die der Forschung in der Schweiz bekanntlich manchmal Grenzen setzt.