«Meine Karriere beginnt im Kindergarten!» – dieser Slogan zierte vor wenigen Wochen das T-Shirt eines kleinen Mädchens. Ein Scherz? Oder eben doch bitterer Ernst? Wie auch immer, dieser T-Shirt-Aufdruck lässt auf einen weit verbreiteten gesellschaftlichen Anspruch schliessen, der seit langem in den Köpfen Vieler verankert und nirgendwo deutlicher ablesbar ist als beim Thema Frühenglisch: Nur ja früh genug damit beginnen, dann ist das Kind und mit ihm das Seelenheil der Familie gerüstet für den Überlebenskampf in der kalten Wirtschaftswelt.
Früh übt sich – nicht immer
Doch wie so oft im Leben: ganz so einfach ist es leider nicht. Der Grundsatz «Früh übt sich» lässt sich nicht auf jede beliebige Lebenssituation übertragen. Wer sich nicht die Mühe gemacht hat, sich einen anglophonen Lebenspartner zu angeln und diesen die Kinder konsequent zweisprachig erziehen zu lassen, kann das «Versäumte» mit möglichst frühem Frühenglisch nicht wett machen. Im Gegenteil: Es kann sogar stören.
Studie zum Download
Die Sprachforscherin Simone Pfenninger vom Englischen Seminar der Universität Zürich belegt mit ihrer Studie, dass ein allzu früher Start in eine Fremdsprache sich mitunter signifikant negativ auf die Leistungen der Lernenden auswirkt: und zwar auf die schulische Erstsprache Deutsch.
Frühlerner schnitten nicht besser ab
Für ihre Studie gewann sie zunächst zwei Gruppen von gut 200 gleichaltrigen Schülerinnen und Schüler in fünf Zürcher Gymnasien – alle zwischen 13 und 14 Jahre alt. Die eine Gruppe hatte bereits mit acht, die andere erst vor Kurzem mit dem Englischunterricht begonnen.
Nach sechs Monaten führte Simone Pfenninger eine erste Erhebung durch: Sie zeigte erstaunlicherweise keinen grossen Vorteil für die Frühlerner-Gruppe. Die Gruppe der Spätlernenden – die sich länger ausschliesslich mit ihrer Muttersprache beschäftigt konnte – hatte schnell aufgeholt und war sogar in den Bereichen Grammatik, Sprachfluss, Struktur und Inhalt deutlich besser. Einzige Einschränkung: Spätlerner füllten noch vorhandene Lücken im Wortschatz eher durch den Wechsel ins Deutsche – so genannte «Code-Switchings» – als ihre jüngeren Kollegen. Sie hatten auch einen etwas kleineren englischen Wortschatz.
Studie empfiehlt: Biologieunterricht auf Englisch
Kurz vor den jeweiligen Maturprüfungen gab es dann einen zweiten Test: Jetzt waren überhaupt keine Unterschiede mehr zwischen den beiden Gruppen zu finden. Wer allerdings Deutsch allgemein gut lesen und schreiben konnte, war auch bei der zweiten Datenerhebung immer noch im Vorteil beim Umgang mit Englisch – völlig unabhängig vom Alter zu Lernbeginn der Fremdsprache.
Aus ihrer Studie leitet Simone Pfenninger den Schluss ab, dass es noch einmal gründlich zu überdenken ist, wann der richtige Zeitpunkt zum Erlernen einer Fremdsprache gekommen ist. Sie empfiehlt, gerne wieder etwas später, in der Oberstufe, damit zu beginnen – dafür aber umso intensiver: mit so genanntem Immersions-Unterricht, bei dem ein oder mehrere Schulfächer wie zum Beispiel Biologie oder Mathematik auf Englisch abgehalten werden.
Die Zeit davor sollte man dafür nutzen, den Schulkindern möglichst gute Kenntnisse der Erstsprache Deutsch zu vermitteln und ihnen damit die Möglichkeit zu geben, ihre dann guten Lese- und Schreibfähigkeiten in der Erstsprache auf die Zweitsprache anzuwenden. Das würde deren Erwerb deutlich erleichtern.
Die Diskussion ist eröffnet
Kritiker mögen richtig liegen, wenn sie behaupten, Simone Pfenninger habe bisher noch zu wenige SchülerInnen getestet – und diese auch nur an Gymnasien. Doch ihre Ergebnisse zeigen an, dass die Forschungen bezüglich Frühenglisch unbedingt weiter gehen müssen und der momentane Zustand an den Schulen noch kein endgültiger sein kann. Weitere Diskussionen sind erwünscht und seien hiermit eröffnet!