Die Hälfte aller verheirateten Paare in der Schweiz lässt sich scheiden. Doch das muss nicht sein, sagt Marcel Schär, Paartherapeut und Leiter des Zentrums für klinische Psychologie und Psychotherapie in Zürich. «Nur 10 Prozent der Paare, die in ihrer Beziehung ernsthafte Probleme haben, gehen in eine Therapie. Und 50 Prozent von denen, die kommen, kommen zu spät», erklärt Schär, «dabei findet sich für fast jeden Konflikt eine Lösung.»
Welches die häufigsten Trennungsgründe sind und wie sie bewältigt werden können, erläutert der Paartherapeut an konkreten Beispielen.
«Wir haben keine Zeit zum Reden»
Oft werden die Gespräche in einer Partnerschaft mit der Zeit seltener. Grund ist unter anderem der Stress im Alltag – beispielsweise die Überforderung bei der Arbeit oder Probleme mit den Kindern. Wichtig ist, sich der Sorgen und Probleme des Partners bewusst zu sein. Nur so ist es möglich, sich gegenseitig zu unterstützen und zu helfen. «Die Zeit zum Reden muss man sich bewusst nehmen, eine sogenannte Paar-Insel schaffen», sagt Schär. «Ich rate meinen Kunden, sich die gemeinsame Zeit in ihre Agenda einzutragen». Sonst hat man sich am Schluss gar nichts mehr zu sagen.
«Unsere ewigen Diskussionen …»
Man kann natürlich auch falsch miteinander reden. Häufig arten die Diskussionen dann in einen Streit aus. Dabei werden dem anderen Vorwürfe gemacht, beispielsweise er sei faul und träge geworden, statt die eigentlichen Bedürfnisse und Wünsche mitzuteilen, nämlich mal wieder etwas gemeinsam zu unternehmen. Schär spricht von einer Eskalationsspirale. In seiner Praxis filmt er solche Konfliktdiskussionen auf Wunsch der Paare. «Nach drei bis vier Minuten sind die Beteiligten so mit der Situation beschäftigt, dass sie die Kamera vergessen. Ein realer Streit entsteht.» Das Video wird im Anschluss mit dem Paar analysiert und soll künftige Eskalationsspiralen verhindern.
«Wir sind nun mal zu unterschiedlich»
Gegensätzliche Charaktereigenschaften können sich durchaus anziehen. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die Streitfälle durch diese Unterschiede im Verlauf der Beziehung zunehmen. Schär empfiehlt ein Gespräch unter therapeutischer Aufsicht. «Die Paare müssen sich bewusst sein, dass jede Schwierigkeit auch eine Chance ist, etwas vom Partner zu lernen». Grundsätzlich müssen die Betroffenen einen Mittelweg zwischen den Anforderungen finden, sich zu verändern und sich gegenseitig zu akzeptieren, wie sie sind.
«Das hat unser Leben verändert»
Besonders schwierig ist es, wenn einer der Partner einen psychischen oder physischen Zusammenbruch erleidet – einen Burnout zum Beispiel oder einen Unfall mit schweren Folgen. Solche Ereignisse können die Beziehung zwar kurzfristig festigen. Doch kann die gesunde Person, die sich für den Partner aufopfert, später selbst ein Burnout erleiden. Laut Schär ist es dabei «ganz wichtig, Hilfe von Aussenstehenden anzunehmen – von Freunden, wie von professioneller Seite.»
«Du hast mich betrogen»
Der freizügige Lebensstil in der heutigen Gesellschaft macht Fremdgehen immer einfacher. Beichtet man dem Partner den Seitensprung, folgt die Zeit der Verarbeitung des Vertrauensbruchs. Die Einsicht, einen Fehler gemacht zu haben und die Affäre zu beenden, ist der erste Schritt, das Vertrauen des Partners wiederzuerlangen. Eine Aufarbeitung kann die Beziehung sogar stärken. Ein dauerhaftes Bedürfnis, den Partner zu hintergehen, kann jedoch Anzeichen einer tiefen Unzufriedenheit in der Partnerschaft sein.
Ist es in manchen Fällen nicht einfach besser, sich zu trennen? Unter Umständen durchaus, so Schär, doch vorschlagen würde er diese Option den Paaren niemals: «Die endgültige Entscheidung liegt in der Hand der Betroffenen», sagt der Therapeut, «wer vorgibt, die Wahrheit über eine fremde Beziehung zu kennen, der lügt.»