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Einstein Online Heuschreck, lass nach!

Bei der Weltausstellung 2000 in Hannover war Insektenfood ein grosses Thema. Der Food-Journalist Patrick Zbinden wollte dieser kulinarischen Alternative damals in der Schweiz zum Durchbruch verhelfen – vergeblich. Doch er glaubt noch immer an eine Zukunft des Insektenessens.

Wieso wollten Sie die Schweizer vor 12 Jahren zum Insektenverzehr motivieren?

Mich hat vor allem der kulturspezifische Aspekt hinter dieser Geschichte interessiert. Ich wollte zeigen, dass das Essen von Insekten in anderen Kulturen absolut normal ist. Sehr spannend finde ich auch den Ekel, den man bei uns vor diesen Tieren hat. Den kennen andere Kulturen so nicht. Dafür haben sie teilweise Mühe mit der Vorstellung, dass bei uns Blutwurst verspeist wird.

Patrick Zbinden ist seit 19xx Food-Journalist, ausgebildeter Sensoriker und Lebenmitteltester.
Legende: Zur Person Patrick Zbinden ist DIN-Sachverständiger für Sensorik, ein erfahrener Lebenmitteltester und seit 1998 Food-Journalist. SRF

Ökologische Gründe, wie die Uno sie anführt, waren Ihnen also nicht wichtig?

Nein, damals nicht. Auch keine gesundheitlichen, obwohl Insekten ja nicht nur eiweisshaltig sind, sondern auch sehr vitamin- und mineralienreich. Ich war damals überzeugt, dass Insekten Teil unserer kulinarischen Landschaft werden und nicht mehr nur als Mutprobe bei Partys aufgetischt werden.

Sie sind mit Ihrem Anliegen gescheitert. Wieso?

Leider fand ich in der Schweiz keine Züchter, die mir Tiere aus milbenfreier Aufzucht anbieten konnten. Ich suchte Insekten, die nicht mit Antibiotika oder sonstigen Stoffen gefüttert wurden. Denn die meisten Züchter verkaufen hochgezüchtete und nicht sehr hygienisch vermarktete Insekten für den Zoobedarf. Damit verdient man wahrscheinlich schneller Geld, als wenn sie die Tiere lebensmittelkonform aufwachsen. Zudem ist der gewerbemässige Verkauf von Insektenfood nicht erlaubt. Dazu braucht es eine Bewilligung vom BAG. Aber ganz klar: Ich bin nicht an den Beamten gescheitert, sondern an den fehlenden Zulieferern.

Die Uno pro Insektenfood

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Die Ernährungsorganisation der Uno (FAO) verweist auf den erwarteten Anstieg der Weltbevölkerung und den massiv gestiegenen Fleischkonsum. Ohne Massnahmen sei bald eine «zweite Erde» notwendig, um das nötige Vieh zu züchten. Für ein Kilogramm Fleisch werden bis zu 13 Kilo Nahrung verfüttert. Mit zwei Kilo liegt der Wert bei Insekten klar niedriger.

Wäre denn das Züchten von Insekten für Lebensmittel überhaupt möglich?

Klar. Ich verstehe nicht, dass sich bis anhin keine Bauern für dieses Thema interessieren. Das Wissen, wie man solche Insekten lebensmittelgerecht züchtet, ist da. Ich habe es selbst versucht und innert Kürze Tausende von Heuschrecken gehabt. Es gab Zeiten, in denen eine Heuschrecke für 5 Franken verkauft wurde. Ich denke, da liesse sich gut Geld verdienen.

Glauben Sie denn, dass sich die Konsumenten «umerziehen» liessen?

Davon bin ich überzeugt, denn ein anderes Fleischsubstitut, das aus Schimmelpilz gewonnen Quorn, hat es ja auch geschafft, den Markt zu erobern. Obwohl das Essen von Schimmel eigentlich nicht sehr attraktiv ist. Man müsste die Insekten nur zur Unkenntlichkeit verarbeiten und mit einem ökologischen «Mäntelchen» vermarkten. Solche Lebensmittel auf Insektenbasis wären bei uns sicher erfolgreich.

Trotz des Ekels?

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Grillen statt Grillieren: Das etwas andere Festmahl – Thema bei «Einstein» am 20. Dezember um 21 Uhr auf SRF 1.

Wenn jemand Crevetten isst, dann kann er ebenso gut Heuschrecken essen. Die sind biologisch nämlich sehr eng miteinander verwandt. Aber letztlich scheitert ein Lebensmittel nicht am Ekel. Der spielt nur eine Rolle, wenn man das ganze Tier vor Augen hat. Entscheidend ist einzig und allein, ob es schmeckt oder nicht. Das ist ja beim Fleisch nicht anders.

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