«Alle 250 Jahre müssen wir mit einer Mega-Dürre rechnen», sagt Christian Pfister. Der renommierte Umwelthistoriker arbeitet derzeit an einer Studie, die skizziert, wie es aussähe, würde ein solches Extremereignis heute die Schweiz treffen: «Die Wasserknappheit wäre enorm und die Wasserkraft stark reduziert. Wir hätten ein Energieproblem. Auch das Kühlwasser für die Atomkraftwerke könnte knapp werden», berichtet Pfister von seiner aktuellen Forschungsarbeit. «Der Schifffahrtshandel käme zum Erliegen. Und wir müssten uns Sorgen wegen Epidemien machen, weil die Klärung der Abwasser nicht mehr gesichert wäre».
Diese möglichen Auswirkungen seien durchaus realistisch, sagt Markus Hohl vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz. «Trockenheit ist ein massiv unterschätztes Risiko» führt Hohl weiter aus und verweist gleichzeitig auf eine Studie des Bundes (siehe Box), welche die Auswirkungen einer Dürre beschreibt.
Pfisters Szenario basiert auf Fakten aus dem Jahr 1540. Damals traf eine Mega-Dürre ganz Europa, wenn man den Chronisten glaubt, die Pfister und sein Team an der Uni Bern ausgewertet hat. «Es herrschte Hitze und Trockenheit von der Toskana bis nach London» heisst es unter anderem. Die «grossen Flüsse führten nur noch 15 Prozent ihrer normalen Wassermenge». Der Rhein war «so klein, dass man zu Fuss durchging» und «im ausgetrockneten Bodensee suchten die Menschen römische Münzen», zitiert Pfister verschiedene Chronisten. Die Forscher haben europaweit Berichte von 300 Zeitzeugen ausgewertet und sie alle zeichneten ein ähnliches Bild. Die Dürre dauerte demnach elf Monate.
Studie löste Diskussionen aus
Wie präzise diese mündlichen Übererlieferungen sind, ist derzeit Gegenstand von Diskussionen. Denn kein Klimamodell hat es bisher geschafft, diese Mega-Dürre darzustellen und aus natürlichen Klimaarchiven ist das Jahr 1540 als solches Extremereignis bislang nicht bekannt.
Ein solches Archiv sind Jahrringe bei Bäumen, die ein durchaus verlässlicher Indikator dafür sein können, wie die Klimabedingungen während vergangener Wachstumsperioden waren. «Eine elfmonatige Dürreperiode würde sich im Jahrringmuster wiederspiegeln », sagt Ulf Büntgen von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft in Birmensdorf. Büntgen hat zwar Anzeichen für weniger Niederschlag während der Vegetationsperiode von 1540 gefunden, aber nie in dem von historischen Quellen beschriebenen Ausmass.
Doch auch Jahrringe haben in ihrer Aussagekraft Unsicherheiten, denn ihr Wachstum wird neben dem Klima durch unterschiedlichste Faktoren beeinflusst und unterliegen saisonal schwankenden Wachstumsperioden. «Es könnte sein, dass die Dürre von 1540 erst im Sommer, als das Baumringwachstum schon abgeschlossen war, so richtig einsetzte», sagt Büntgen. Dieses Phänomen kennt man aus dem Jahr 2003. Der Rekordsommer, der von Juni bis August dauerte, zeigte sich in den Baumringen kaum. «Die Extreme von 2003 und 1540 könnten also ähnlich verlaufen sein», so Büntgen.
Kaum Trinkwasser und Waldbrände
Die Studie von Christian Pfister geht davon aus, dass 1540 nur ein Drittel des normalen Jahresniederschlages fiel. «Der Viehbestand wurde arg dezimiert. Die Tiere hatten nichts zu trinken», erläutert der Umwelthistoriker «und auch das Trinkwasser wurde knapp».
Der Luzerner Chronist Hans Salat beschrieb damals, wie Menschen in ausgetrockneten Flussbetten kleinerer Flüsse nach Wasser gruben. «Selbst in anderthalb Metern fanden sie keinen Tropfen», so der Zeitzeuge. Dann kamen die Waldbrände. Von Polen bis an die Atlantikküste gingen Wälder und Büsche in Flammen auf. Das Feuer zerstörte auch viele der eng gebauten Städte und Siedlungen. Wochenlang war ganz Europa in Rauch eingehüllt, sagen die Chroniken.
«2003 war schon heftig aber 1540 war noch viel extremer», ist Pfister überzeugt. Solche Extremereignisse passieren offensichtlich auch ohne die menschgemachte Klimaerwärmung. Doch die Klimaforscher warnen. Mit der Klimaerwärmung könnten sie in Zukunft häufiger vorkommen.