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Label für kompostierbares Plastic
Legende: Kompostierbar – Plasticprodukte mit diesem Label aus Deutschland können auf dem Kompost entsorgt werden. srf

Einstein Online Plastic für den Komposthaufen

Herkömmliches Plastic wird immer häufiger durch Kunststoff aus Kartoffeln oder Mais ersetzt. Er ist klimaneutral und kompostierbar. Doch Wissenschaftler forschen an weiteren Alternativen, denn auch Bioplastic ist nicht immer nachhaltig.

Herkömmliche Kunststoffe haben eine Konkurrenz: Bioplastic. Ein Kunststoff, der aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt und kompostierbar sein muss. Im Vergleich mit chemischen Kunststoffen hat Bioplastic wesentliche Vorteile: Der CO2-Verbrauch bei der Produktion reduziert sich um 20 bis 30 Prozent. Bioplastic zersetzt sich auch in der Natur nach wenigen Jahren und kann so zur Lösung des Litteringproblems vor allem in Asien und Afrika beitragen. Und zur Produktion braucht es kein Erdöl – in Zeiten der Rohstoffverknappung ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.

Doch ein wesentlicher Teil des Bioplastics, das heute in Form von Plastiksäcken, Trinkbechern oder sonstigen Verpackungen auf dem Markt ist, besteht immer noch zu 30 bis 40 Prozent aus petrochemischen Bestandteilen. Die meisten der verschiedenen Biokunststoffe zersetzen sich nur in einer industriellen Kompostieranlage – einfach auf den Kompost werfen funktioniert also nicht, der Müll muss im Grüngut-Container entsorgt werden. Auf dem heimischen Kompost klappt der Plastic-Abbau nur mit speziellem Biokunststoff. Solche Produkte, meist Tragetaschen, sind bereits auf dem Markt.

Gefahr für den Lebensmittelmarkt

Doch nicht nur die mangelnde Kompostierbarkeit ruft Kritiker auf den Plan, sondern auch der Rohstoff. Fast alle industriell hergestellten Biokunststoffe bestehen aus Mais- oder Kartoffelstärke. Durch die dafür benötigten Ackerflächen steht der Biokunststoff indirekt in Konkurrenz zu Lebensmitteln.

Bei der momentanen Nachfrage nach Bioplastic, die gerade einmal bei 0,3 Prozent der weltweiten Kunststoffproduktion von ungefähr 265 Millionen Tonnen liegt, hat dies noch keine Auswirkungen auf die Nahrungsmittelpreise. «Steigt aber die Nachfrage auf das 100-fache, kann dies zu einem Problem werden», meint Reto Senn, Geschäftsführer eines grossen Schweizer Kunststoffherstellers. Zwar ist man davon heute noch weit entfernt. Experten schätzen aber, dass die Nachfrage innerhalb der nächsten 10 Jahre um das 20- bis 30-fache steigen könnte.

Plastic aus Abfallstoffen

Weltweit forschen Wissenschaftler bereits an Möglichkeiten, Plastic statt aus Primärstoffen wie Lebensmitteln aus Abfallstoffen zu gewinnen. Laut Martin Koller, Biotechnologe an der Technischen Universität Graz, könnte die Mehrheit der heute hergestellten Kunststoffe aus Abfallstoffen produziert werden. Folgende Alternativen gibt es bereits:

  • Aus den Fetten von Schlachtabfällen kann Biodiesel und Biokunststoff gewonnen werden. Der Rest, welcher sich zur Biodiesel-Produktion nicht eignet, wird zu Futter für spezielle Bakterien. Sie produzieren Kunststoff als Energiespeicher, der dann herausgelöst und verarbeitet werden kann. Es entsteht ein natürlicher Polyester.
  • Aus der Molke, dem Reststoff der Käseherstellung, lassen sich Polylactide herstellen. Mithilfe von Bakterien und chemischen Prozessen gewinnt man Biopolymere (PLA). Auch die PLA sind natürliche Polyester.
  • Chemische Prozesse wandeln Pflanzenfasern in Zellstoff (Cellulose) um. Zusammen mit Essig entsteht daraus in einem weiteren chemischen Schritt Celluloseacetat – ein thermoplastischer Kunststoff.

Gemeinsam haben diese Methoden einen grossen Nachteil: Sie sind teurer als die herkömmliche Plasticproduktion aus Erdöl. Und im Gegensatz zum Kunststoff aus Mais oder Kartoffeln müssen die Polylactide oder das Plastic aus Schlachtabfällen ihre Industrietauglichkeit erst noch beweisen.

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