Die letzte totale Sonnenfinsternis ereignete sich in Europa am 11. August 1999 . Damals war Solarstrom noch kein Thema: Zu gering war sein Anteil im Stromnetz. Doch heute ist er 50 Mal grösser; rund 10 Prozent des europäischen Stromverbrauchs wird mit Solarstrom gedeckt. Ein Ausfall wäre kein grundsätzliches Problem, denn laut der Netzbetreiberin Swissgrid gibt es noch immer deutliche Überkapazitäten.
Das Problem ist vielmehr, dass durch die Sonnenfinsternis – wenn sie denn bei schönem Wetter stattfindet – die Sonne drei Mal schneller verschwindet als bei einer normalen Dämmerung. Entsprechend schneller schwankt auch die Solarstromleistung in ganz Europa.
Untrennbar mit Europas Stromnetz verknüpft
Solche Hochs und Tiefs sind Gift für das Stromnetz, denn es muss laufend so viel Strom erzeugt werden wie gerade verbraucht wird. Können Schwankungen nicht schnell genug kompensiert werden, wird das Netz instabil: Produktion und Verbrauch fallen aus dem Gleichgewicht; das kann in einzelnen Regionen zu Notabschaltungen führen. Im schlimmsten Fall könnte eine Kettenreaktion zu einem europaweiten Blackout führen.
Da Europas Stromnetz über alle Nationen verknüpft ist, betrifft das auch die Schweiz. «Wenn beispielsweise in Deutschland ein Problem auftaucht, hat das auch auf unser Stromnetz Auswirkungen», sagt Bernd Nordieker, Leiter Systemführung bei Swissgrid , «wir sitzen alle im gleichen Boot.»
Ausgleich mit konventionellen Energien
Die Netzbetreiber bereiteten sich darum in einer europaweiten Projektgruppe seit fast einem Jahr auf den Tag der Sonnenfinsternis vor. Am 20. März plant man, den Schwankungen während der Sonnenfinsternis mit Wasserkraft und Gasturbinen-Kraftwerken beizukommen. Bei der Schweizer Stromnetzbetreiberin gibt man sich überzeugt, alles im Griff zu haben.
Trotzdem hoffte Nordieker auf schlechtes Wetter. Bei Regen würden die Solaranlagen schliesslich auch ohne Sonnenfinsternis kaum Strom produzieren – und die Schwankungen durch die Verdunkelung wären geringer. «Es wäre natürlich schön, wenn wir nicht testen müssen, ob die getroffenen Massnahmen wirklich greifen», sagt der Fachmann.
Doch laut Prognosen dürfte am Freitag schönstes Wetter herrschen. Die Leistungsschwankungen im Netz könnten also besonders stark werden.
Ein Testfall für die Zukunft des Netzes
Andererseits: Interessant wäre ein Testfall schon: Bis vor wenigen Jahren waren Stromschwankungen vor allem beim Verbrauch zu bewältigen – doch mit dem stark gewachsenen Anteil an Photovoltaik kämpfen die Netzbetreiber nun auch auf der Produktionsseite mit einer starken Dynamik. Bis 2050 könnte sich der Solarstromanteil in der Schweiz verdoppeln, so eine Schätzung der ETH Zürich.
«Es wird vermehrt zu solchen Situationen wie am 20. März kommen», sagt Christian Schaffner, Leiter des Energy Science Center der ETH. Die Stromwirtschaft steckt mitten in einer Umbruchphase – und laut dem Fachmann ist das heutige System «technisch noch nicht bereit» für einen höheren Anteil an Sonnenstrom.
Im Stromnetz der Zukunft wird den Pumpspeicher-Kraftwerken in der Schweiz eine zentrale Rolle zukommen. Doch deren Kapazität ist beschränkt. «Mit Wasserkraft allein wird sich das Problem nicht lösen lassen», sagt Schaffner, «die Lösung liegt wohl in der Kombination verschiedener Techniken, beispielsweise dezentralen Batterie-Speichern oder Wärmespeichern im Boden.»