Diamanten sind nicht die seltensten Steine – aber sie sind die härtesten. Manche mögen denken, dass sie sich deshalb als unzerstörbares Zeichen der Liebe und Treue in unser Denken eingeschliffen haben. Aber das stimmt nicht. Wir schenken uns Diamanten zur Verlobung, zum ersten Kind oder zur eisernen Hochzeit, weil geniale Werber das vor fast 100 Jahren so planten. Sie handelten im Auftrag eines Konzernts, der alles daran setzte, das weltweite Diamantengeschäft zu beherrschen.
Alleinherrschaft für über 100 Jahre
Alles begann, als Südafrika 1870 vom Diamantenrausch erfasst wurde. In rauen Mengen brachten Schürfer die Steine ans Licht und überschwemmten den Markt mit ihnen. Für die britischen Finanziers der ersten südafrikanischen Minen war das ein Desaster, denn Diamanten haben nur dann einen grossen Wert, wenn sie selten sind. Es galt also, sie weiter kanpp zu halten, notfalls künstlich.
Die Investoren bündelten kurzerhand ihre Interessen und gründeten 1888 ein Unternehmen, das so mächtig war, dass es für die nächsten 100 Jahre den gesamten Diamantenhandel kontrollieren sollte: De Beers Consolidatet Mines Limited war geboren. Der Plan ging auf; ohne De Beers betrat oder verliess fast kein Diamant mehr den Weltmarkt. Doch dann liess die grosse Depression die Preise in den Keller rutschen. De Beers brauchte noch bessere Kontrolle darüber, wie viele Diamanten auf den Markt kamen. Grössere Geschütze mussten aufgefahren werden.
Kommerz heiratet Romantik
So traf sich der damalige Chef von De Beers, Harry Oppenheimer, mit Gerold M. Lauck von der erfolgreichen Werbeagentur N.W. Ayer & Son 1938 zum Kriegsrat. Es ging um einen gewaltigen Coup: Der Diamant sollte von seinem Ruf als pures Investitionsstück getrennt und stattdessen mit einem Gefühl verschmolzen werden: mit Romantik und Liebe. Er sollte als Schmuckstück einen so starken emotionalen Wert bekommen, dass keiner mehr auf die Idee kommen würde, ihn je wieder zu verkaufen, wie der investigative Journalist Edward Jay Epstein 1982 im «Atlantic» ausführte .
Verlobungsringe hatten damals auf keinem Teil der Welt eine grosse Tradition und mit Diamanten bestückt waren sie schon gar nicht. De Beers beschloss, das zu ändern. Vorerst in Amerika – das Vorkriegseuropa hatte andere Sorgen.
Eine grosse Studie, die die Werbeagentur N.W. Ayers über das Konsumverhalten der US-Amerikaner durchführte, war laut der «New York Times» ernüchternd: Diamanten galten als Luxus für die Superreichen. Frauen wollten, dass ihre Männer das Geld für eine neue Waschmaschine oder ein Auto ausgaben, aber sicher nicht für einen Verlobungsring. Es ging also nicht nur um die Wohlhabenden – vor allem die Mittelklasse musste angesprochen werden. Jede Person, die heiraten wollte, sollte sich danach sehnen, das mit einem Diamantring zu besiegeln.
Die Werbemaschine läuft an
N.W. Ayer begann dort, wo das Geld für die Verlobungsringe sass: bei den jungen Männern. Sie wurden mit der Botschaft geimpft, dass sich ihre wahre Liebe nur durch einen Diamanten zeigte. Die Frauen ihrerseits waren bald davon überzeugt, dass es kein potenzieller Ehemann ernst meinen konnte, der ihnen nicht einen – wenigstens kleinen – Brillanten an den Finger steckte.
Die Werbemaschine lief heiss. De Beers stellte sicher, dass Diamanten allgegenwärtig waren. Stars wurden mit den funkelnden Steinen ausgestattet, die sie auf öffentlichen Anlässen trugen. N.W. Ayer verkaufte Stories an Zeitschriften, in denen Diamanten und Romantik die Hauptrolle spielten – natürlich wurde darin ausführlich über Preis und Grösse der edlen Steine berichtet. Modedesigner wurden dazu gebracht, den neuen «Trend» zu Diamanten zu reflektieren. Schon 1945 trug ein Grossteil der amerikanischen Bräute einen mit Brillanten oder Diamanten besetzten Verlobungsring.
Der Film brachte noch mehr Möglichkeiten: N.W. Ayers nutzte seinen Einfluss und brachte immer wieder Diamanten in die Skripte und Titel von Filmen ein. Bald kam die Werbung auch gratis: Der Sex-Appeal von Marilyn Monroe, die im Film «Blondinen bevorzugt» (1953) den Hit «Diamonds are a girl’s best friends» sang, liess die Steine von De Beers noch verführerischer funkeln. Und in «Frühstück bei Tiffany» (1961) trägt Audrey Hebpurn einen Diamanten, der zum Träumen anregt.
1965 konnte N.W. Ayers laut «Atlantic» seinem Kunden stolz mitteilen: Die auf 20 Jahre angelegte Werbekampagne hatte Früchte getragen: Inzwischen trugen 80 Prozent der amerikanischen Frauen einen Verlobungsring mit Diamanten. Aus einem Luxusartikel war ein unumstösslicher Beweis der Liebe geworden – und des sozialen Status.
Das Diamantenfeuer am Brennen halten
Heute ist der diamantene Verlobungsring auch im Rest der Welt nicht mehr aus dem Markt rund um die Romantik weg zu denken. Der Schweizer Juwelier Bucherer verzeichnet sogar seit einigen Jahren wieder einen vermehrten Trend hin zum Diamantenring. Genaue Zahlen gibt es in er Schweiz leider nicht. Wenn traditionelle Werte wie Liebe, Heirat und Familie wichtiger werden, wird offenbar auch der Diamant begehrenswerter.
Mit der Werbeagentur JWT sorgt De Beers dafür, dass das so bleibt. Jedes Jahr wird eine neue Kampagne lanciert, die übrigens traditionell nicht mit dem Namen De Beers wirbt, sondern mit dem Evergreen «A diamond is forever» (siehe Box). Auch sonst hat sich am Konzept nichts geändert: «Wir müssen das Diamantenfieber am Brennen halten», sagt Richard Lennox von JWT im Dokumentarfilm «Der Weg des Diamanten» (2014).
Mittlerweile brennt es nicht mehr nur für De Beers, denn der südafrikanische Konzern hat die Alleinherrschaft über den Diamantenmarkt schon vor einigen Jahren verloren. Unsere Liebe zu den edlen Steinen jedoch hat das Unternehmen bis heute fest im Griff.