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Bild 1 von 5. Luzia und Jörg Rutz-Forster präsentieren ihre Streuwiese nicht ohne einen gewissen Stolz. Bildquelle: SRF/Corinna Daus.
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Bild 2 von 5. Sogar Orchideen wachsen auf der Wiese:. Damit die Artenvielfalt erhalten bleibt, braucht es sorgsame Pflege. «Wenn der Boden beim Mähen beschädigt würde, kann es Jahrzehnte dauern, bis er wieder heilt», erzählt Bauer Rutz. Er verrichtet deswegen alle Arbeiten manuell. Bildquelle: SRF/Corinna Daus.
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Bild 3 von 5. Schachtelhalm, Schlangenknöterich, aber auch Enzian:. Die Vielfalt auf der Streuwiese von Familie Rutz-Förster beeindruckt. Weil die meisten Pflanzen auf dieser Wiesenart nicht sehr nährstoffreich sind, werden sie traditionell für die Streu verwendet. Bildquelle: SRF/Corinna Daus.
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Bild 4 von 5. Diese Wiese macht mit:. Das Hinweisschild auf die Teilnahme an der Wiesenmeisterschaft soll in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit erregen. Bildquelle: SRF/Corinna Daus.
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Bild 5 von 5. Organisator Brülisauer (2. v. re.) und seine Wiesenexperten: . Die Jury der Meisterschaft besteht aus Fachleuten und Vertretern von Pro Natura, WWF und dem Bauernverband St.Gallen. Bildquelle: SRF/Corinna Daus.
Derzeit sorgt eine kleine Delegation aus Biologen und Agrar-Experten dafür, dass die Bauernfamilie mit der schönsten Blumenwiese im Obertoggenburg geehrt wird. Je mehr Blütenpracht, je mehr seltene Pflanzen, je mehr Vielfalt die Fachleute finden, desto grösser sind die Aussichten auf den ersten Platz.
Blumenwiesen sind ein Paradies für Pflanzen und Insekten. Nur leider gibt es davon immer weniger – auch wenn sich das nicht auf den ersten Blick erschliesst: Im Kanton St.Gallen, wo das obere Toggenburg liegt, gibt es Wiesen, wohin das Auge blickt. Sie machen 85 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche aus. Der Grossteil davon dient jedoch der Futtergewinnung und Beweidung; diese Wiesen werden gedüngt und mehrmals im Jahr geschnitten. Für die natürliche Artenvielfalt ist das Gift.
Auch die Touristen mögen schöne Wiesen
Nur etwa acht Prozent sind sogenannte extensive Wiesen. Auch diese ökologischen Flächen produzieren Futter – allerdings viel weniger als die gedüngten. Wichtig sind sie vor allem als Refugium für seltene Pflanzen und Insekten. Diesen Lebensraum gelte es zu schützen, erklärt Alfred Brülisauer, der die Schweizer Wiesenmeisterschaft dieses Jahr ins Toggenburg gebracht hat, auch weil die Wiesen einen touristischen Wert haben. Aber er weiss, dass ohne die Landwirte kein Schutz möglich ist.
«Durch die Auszeichnung sollen die Bauern, die sich für den Erhalt der Natur einsetzen, erfahren, dass die Öffentlichkeit ihr Engagement wertschätzt», sagt er deshalb. 28 Bauernfamilien haben sich mit ihren farbenprächtigsten Wiesen angemeldet, um in den beiden Kategorien Streu- und Bergwiese gegeneinander anzutreten. Sechs Flächen haben es in die zweite Runde geschafft und werden nun von der kleinen Delegation noch einmal Halm für Halm und Kraut für Kraut unter die Lupe genommen.
Opfer der Modernisierung
Zuerst die Streuwiese von Familie Rutz-Förster. Sie liegt auf einem guten Standort auf einer grossen Waldlichtung über Ebnat-Kappell. Über 24 Pflanzenarten wurden hier bei der «Erstbegehung» Mitte Juni gefunden (siehe Box). Sogar sechs seltene Arten sind dabei, unter anderem Orchideen und das Sumpfherzblatt. «Sehr attraktive Pflanzen», bemerkt ein Jurymitglied. «Die Fläche ist nicht ganz homogen», wendet ein anderes ein, «und der viele Adlerfarn gibt ein wenig Abzug». Der buschige Farn breitet sich gerne aus und nimmt dabei keine Rücksicht auf andere Pflanzen.
Mit den Streuwiesen wurde in stroharmen und feuchten Regionen wie dem Toggenburg über Generationen die Streu für die Stallungen produziert. Doch in den letzten hundert Jahren sind schweizweit rund 90 Prozent dieser feucht-nassen Wiesenart verschwunden. Sie wurden trocken gelegt, in Ackerland verwandelt, fielen der Bebauung zum Opfer und schliesslich der Intensivierung der Landwirtschaft.
Eine schöne Wiese macht Arbeit
Bauer Rutz weiss, dass seine Streuwiese ein Relikt ist und ist stolz auf sein Kleinod. «Da steckt Arbeit dahinter», erzählt er, «aber es macht mir Freude». Wegen der Hanglage muss er mit der Sense mähen, weil schweres Gerät die Wiese schädigen könnte. Das Heu zieht er mit dem Rechen ab und transportiert es mit dem Schlitten hinunter. Das gibt Zusatzarbeit zum schon grossen Hof. Doch sie lohnt sich – auch durch die Direktzahlungen vom Bund.
Seit 1998 werden die Schweizer Bauern mit diesen Zahlungen dazu angespornt, vormals brach liegende oder als intensive Futterwiesen genutzte Flächen wieder in ihre ursprüngliche Form zu bringen. So sollen ökologische Ausgleichsflächen geschaffen und die Artenvielfalt gefördert werden.
Viel Geld für wenig Aufwand
Für die Landwirte sind die Direktzahlungen verlockendes Geld, denn es fordert vergleichsweise wenig Aufwand: Die Öko-Wiesen dürfen nur ein bis zwei Mal im Jahr geschnitten werden und Dünger ist verboten – Kostenfaktoren, die bei Futterwiesen anfallen. «Auch wenn der Ertrag dadurch sehr viel kleiner ist», sagt Hansjakob Zwingli vom Landwirtschaftsamt in St.Gallen, «es sind relativ hohe Beträge für relativ wenig Arbeit». Für ihn sind die Zahlungen ein intelligentes System, das gut funktioniert.
Es funktioniert sogar so gut, dass es bei den Zahlungen inzwischen gar nicht mehr um die Zunahme von ökologischen Flächen geht, sondern um bessere Qualität. Der Bund staffelt seine Wiesen-Fördergelder deswegen in drei Güteklassen. Die Streuwiese von Jörg Rutz hat die Qualitätsstufe II. Sie wurde noch nie gedüngt und hat einen artenreichen Bestand; 1500 Franken bekommt er dafür pro Hektare.
Für Zwingli ist die Wiesenmeisterschaft eine gute Unterstützung dieser Förderpolitik: «Sie spornt die Landwirte an, ihre Wiesen richtig zu pflegen, und kann noch dazu einen tollen Nebeneffekt haben: Wenn das Saatgut einer besonders artenreichen Gewinner-Wiese verwendet werden kann, um die Qualität anderer Wiesen zu verbessern.»
Eine Bestätigung für die Bauern
Während die Jury weiter durch die prächtige Streuwiese von Bauer Rutz stapft, erklärt er, dass er erst im September mähen wird, so wie es bei Streuwiesen schon immer üblich war. Zu diesem Zeitpunkt werden die Pflanzen genügend Zeit gehabt haben, um abzusamen und die Nährstoffe haben sich in die Wurzel zurückgezogen – so ist der Artenbestand fürs nächste Jahr gesichert.
Unter der Hand wird in der Jury schon gemunkelt: Die Wiese der Rutz-Försters hat gute Chancen, aufs Siegertreppchen zu kommen. Aber zuerst gilt es, die anderen fünf Bewerber zu besuchen, die in der Endausscheidung stehen. Eine Bergwiese steht als nächstes auf der Agenda (siehe Bildergalerie unten).
Bauer Rutz und seine Frau finden es überhaupt schon toll, dass sie in die zweite Runde gekommen sind. «Für uns ist es eine schöne Bestätigung », sagt die Bäuerin. Vor allem für ihren Mann freue sie sich: «So eine Auszeichnung zeigt doch: Die Arbeit lohnt sich».
Die Gewinnerwiese wird am 5. September von 10 bis 13 Uhr im Buurebeizli in der Dergeten in Nesslau gekürt. Wer nicht dort sein kann: hier nachschauen.
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Bild 1 von 4. Bauer Franco Bösch mit Töchterchen Vanessa:. Er tritt mit einer artenreichen Bergwiese im Wettbewerb an. «Es ist immer ein Anreiz, sich zu messen», findet der Jungbauer. Ihm ist seine Leidenschaft für den Beruf und den Schutz der Natur anzumerken: Fast 30 Prozent seiner 13 Hektare Land bewirtschaftet er ökologisch. Bildquelle: SRF/COrinna Daus.
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Bild 2 von 4. Ein wildes Rübli:. Die Bergwiese von Bauer Bösch ist voller Köstlichkeiten. Auch wilden Oregano und Majoran findet die Jury. Bildquelle: SRF/Corinna Daus.
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Bild 3 von 4. Der Klappertopf mit seinen braungelben Samenkapseln ist eine schöne, aber schwierige Pflanze. Wo er steht, wächst kein Gras mehr. Bildquelle: SRF/Corinna Daus.
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Bild 4 von 4. Damit die Pflanzen absamen können, darf eine Bergwiese nicht vor dem 1. Juli geschnitten werden – das ist eine an die Fördergelder gebundene Auflage. Der Bauer ist nicht ganz glücklich darüber, denn würde er früher mähen, wäre der Nährwert der Pflanzen noch viel höher. Er ist bei Bergwiesen wichtig, denn ihr Heu wird ans Vieh verfüttert. Bildquelle: SRF/Corinna Daus.