«Sie sind hier eingefallen und haben unseren Strand gestohlen», klagt der Anwohner eines marokkanischen Küstenortes. Sie – das sind Menschen, die Sand abtragen und ihn an Bauunternehmer verkaufen, die nicht nach der Herkunft des Rohstoffes fragen. Oft nur ausgestattet mit Schaufeln, Jutesäcken und Eseln, verdienen die «Sand-Diebe» mit dem Verkauf des Rohstoffes etwas Geld.
Bis zu 45 Prozent des marokkanischen Sandes sollen bereits gestohlen worden sein. Das behauptet der Dokumentarfilm «Sand Wars» des TV-Senders Arte, auf dessen Basis «ECO» und «Einstein» diese Woche zwei Spezial-Ausgaben ausstrahlen.
«Wir finden das überall», bestätigt UN-Mitarbeiter Pascal Peduzzi im Interview mit «SRF Wissen & Digital». «In Indien gibt es Tausende Orte, an denen Menschen Sand von den Stränden oder Küsten klauen.» Der Schweizer hat für die Vereinten Nationen einen Bericht zu den schwindenden Sand-Vorkommen verfasst.
Weltweite Sand-Mafia
Um den Rohstoff Sand haben sich mafiöse Organisationen gebildet. Abnehmer des illegal abgebauten Sandes finden sich weltweit.
Unter Verdacht steht etwa Singapur. Der Stadtstaat vergrössert seine Fläche kontinuierlich. Bereits 130 Quadratkilometer Land hat er gewonnen. Bis 2030 sollen weitere 100 Quadratkilometer dazukommen. Seine eigenen Sandreserven hat Singapur längst aufgebraucht.
Der Staat wird beschuldigt, den fehlenden Sand durch Schmuggel herbeizuschaffen. Täglich gelangen Dutzende Frachtkähne voller Sand in den Hafen von Singapur. Dieser stammt etwa aus Indonesien oder Kambodscha. Und das, obwohl diese beiden Länder den Sandhandel mit Singapur inzwischen verboten haben. Bereits 25 indonesische Inseln sollen in Folge des Sand-Abbaus von der Weltkarte verschwunden sein.
Legal und illegal nicht eindeutig
Zwischen Erlaubt und Verboten zu unterscheiden, ist im Welthandel mit Sand nicht einfach. Pascal Peduzzi weist darauf hin: «Niemand befiehlt, Sand zu stehlen.» Sand werde lediglich von Bau-Unternehmen bestellt. «Und es gibt Menschen, die ihn liefern. Das kann auf legale oder auf illegale Weise geschehen.»
Am Ende jedoch stehen Menschen, die durch den Raubzug auf den Sand ihre Lebensgrundlage verlieren. Oder sogar ihre Heimat.
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