Stefan Raab ist zurück beim ESC – als Mentor statt Macher. Warum der 58-Jährige wieder mitmischt, wie er Deutschlands Chancen sieht und was er vom Hype um Wettquoten hält: eine Begegnung in Basel.
SRF: Sie sind nach 14 Jahren wieder zurück beim Eurovision Song Contest. Wie ist es für Sie, nach so langer Zeit erneut dabei zu sein?
Stefan Raab: Das ist keine neue Erfahrung mehr für mich – ich sehe das ganz entspannt. Ich bin das gewohnt.
Was reizt Sie so sehr am ESC? Ist es die Musik? Ist es das grosse Publikum? Oder schlichtweg das Gewinnen?
Ich gewinne grundsätzlich gerne. Wer es nicht versucht, kann auch nicht gewinnen. Das ist wie, wenn die Fussball-Nationalmannschaft sagt: «Wir fahren nicht zur WM. Wir könnten in der Vorrunde ausscheiden.» Dann würde ich auch sagen: «Wenn ihr nicht gewinnen wollt, dann bleibt auch zuhause».
Man ist immer nur so stark, wie es die Konkurrenz zulässt.
Gewinnen macht einfach Spass. Und ausserdem ist es mit einer schönen Reise verbunden. Ich war tatsächlich erst einmal vorher in Basel. Um die Nullerjahre bin ich hier beim «Musikantenstadl» mit Karl Moik aufgetreten.
Sie sind ein Erfolgsgarant des ESC: Sie haben den Superhit von Guildo Horn komponiert. Sie haben selbst am ESC mitgemacht. Sie haben wesentlich dazu beigetragen, dass Lena Meyer-Landrut 2010 gewann. Warum wollen Sie es jetzt nochmal wissen?
Wir haben eine neue Herangehensweise. Ich habe mich diesmal weder produktionell noch kompositorisch beteiligt. Abor und Tynna als deutsche ESC-Hoffnung habe ich lediglich Tipps gegeben und ihnen gesagt, welchen Song sie nehmen sollten. Damit sind sie bislang gut gefahren.
Ich habe das aber nicht alleine, sondern mit dem Publikum in Deutschland entschieden. Jedoch ist man immer nur so stark, wie es die Konkurrenz zulässt. Der Song ist für ein sehr junges Publikum. Es hängt davon ab, wie viele junge Leute den ESC schauen und abstimmen – und ich glaube, dass viele junge Menschen abstimmen werden.
Und wenn es nicht klappt, machen Sie nächstes Jahr wieder selber mit?
(Witzelt) Gut, dann mache ich es eben wieder selbst. Im Ernst: Die Zeiten haben sich geändert.
Selbst mit wenig musikalischem Talent bringt man es zum Erfolg.
Heute können alle mit wenig wirtschaftlichen Mitteln gute Musik zu produzieren. Selbst mit wenig musikalischem Talent bringt man es zum Erfolg. Ich will hierzu keine Beispiele nennen, aber es gibt sie. Diesen Weg der Zeit sind wir mitgegangen. Diesmal war ich viel mehr Mentor und habe Leuten eine Plattform geboten, sich zu bewerben.
Wie schätzen Sie die Wettquoten von Deutschland ein?
Die Wettquoten sind nicht immer ausschlaggebend. Aus Insiderkreisen weiss man, es gibt in Ländern hochmotivierte Delegationen, die auf ihre eigenen Kandidierenden wetten, damit diese in den Wettbüros hoch abschneiden. Die Jury soll dann so die Vorderen auswählen, weil niemand möchte ja zu den Verlierern gehören.
Schweden war schon zuvorderst, bevor überhaupt feststand, welcher Song für das Land an den ESC fährt.
Die tippenden Leute wetten nicht nur am ESC, sondern auch sonst. Beispielsweise sehen sie, dass Schweden in den letzten Jahren oft gewonnen hat. Dann wetten sie erstmal auf Schweden und das Land steht oben. Schweden war schon zuvorderst, bevor überhaupt feststand, welcher Song für das Land an den ESC fährt.
Das Gespräch führte Jennifer Bosshard.