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Hazel Brugger im Gespräch «In der Schweizer Kulturlandschaft herrscht Bequemlichkeit»

Zwischen 150 und 200 Millionen Menschen werden Hazel Brugger sehen, wenn sie zusammen mit Michelle Hunziker und Sandra Studer den Eurovision Song Contest 2025 moderiert. SRF traf sie während den Vorbereitungen zur Show in Basel.

Hazel Brugger

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Die heute 31-jährige Hazel Brugger begann bereits mit 17 Jahren ihre Laufbahn als Stand-up-Comedian. Neben ihrer Bühnentätigkeit trat sie auch als Kolumnistin, Podcasterin und in verschiedenen TV-Formaten in Erscheinung. Die zweifache Mutter gehört zum Moderatorinnen-Team des ESC 2025, der in Basel durchgeführt wird.

SRF: Welches Wort beschreibt Ihre momentane Gefühlslage?

Hazel Brugger: Ein einzelnes Wort gibt es so nicht. Von «Wow» bis «Oh» ist alles dabei.

Einst sagten Sie: «Ich schaue den ESC nicht.» Woher der Sinneswandel?

Das stimmt. Aber ich habe den ESC immer wahrgenommen. Er ist weltweit der Musikevent schlechthin.

Der ESC ist stark gescriptet. Wie passen Sie als spontaner Mensch da rein?

Starre Rahmen werden oft mit fehlender Kreativität verwechselt. Kreativität floriert aber erst richtig, wenn sie klaren Regeln unterliegt. Ich kann mich beim ESC genug austoben.

Was ist Ihre Rolle am ESC?

Der ESC ist sehr technisch, doch die Moderation darf nicht so wirken. Sie soll Menschlichkeit in den technischen Ablauf zu bringen, damit man die starren Regeln nicht wahrnimmt.

Der ESC ist oft auch politisch. Wie passen Unterhaltung und ernste Themen zusammen?

Den ESC sehe ich als notwendige Bubble, die zeigt, was andere Länder für Themen haben – jenseits von Staatsoberhäuptern und Ideologien.

Was macht Erfolg mit Ihnen?

Er macht müde (lacht). Im Ernst, ich habe eigentlich zu viel Gutes erlebt. Es ist wie ein Traum. Jetzt der ESC, und im Herbst mein Soloprogramm auf Englisch in New York.

Nach der Geburt Ihres ersten Kindes sprachen Sie offen von Überforderung.

Es war hart, mir einzugestehen, dass ich nicht alles kann – und auch nicht alles will. Probleme nicht denkerisch lösen zu können, war ungewohnt. Mittlerweile bin ich meiner Tochter dankbar für diese Einsicht.

Wie vermeiden Sie künftig Überforderung?

Meine wichtigste Erkenntnis: Die Grenze ist nicht «ich kann nicht mehr», sondern «ich will nicht mehr».

Ist Comedy in Deutschland leichter umsetzbar?

Kulturschaffende haben in der Schweiz oft das Gefühl, den Leuten gegen den Strich zu gehen. In Deutschland ist das weniger der Fall.

Ist Ihnen die Schweiz zu bünzlig?

So fühle ich mich die ganze Zeit, sogar während unserem Gespräch hier. Es ist zwar angenehm, aber ich hätte gern mehr Chaos. Ich kann mir zwar eine Rückkehr in die Schweiz gut vorstellen, aber in der hiesigen Kulturlandschaft herrscht eine grosse Bequemlichkeit, weil sie so gut gefördert ist.

Damit machen Sie sich jetzt nicht nur Freunde.

Ich weiss! Doch ich sage das ja als Fan der Schweizer Kulturlandschaft, aber so ist es halt. Und ich denke, tief drin wissen das auch alle. Wenn immer finanziell für einen gesorgt wird, gibt es keinen Grund, Risiken einzugehen.

Sie haben kein Problem, gross zu denken. Ist es spiessig zu meinen, alles müsse sich im Kleinen abspielen?

In Deutschland und der Schweiz heisst es teils: «Du gehst einfach auf eine Bühne und erzählst? Das ist schon etwas dürftig.» In Amerika ist unbestritten, dass es eine Leistung ist, einen Witz zu schreiben und vorzutragen.

Wo sehen Sie sich in Zukunft?

Langfristig nicht mehr vor, sondern hinter der Kamera. Es stresst mich, dass ich immer weniger Dinge tun kann, die mich wirklich glücklich machen, zum Beispiel Leute im Tram beobachten.

Jetzt sind Sie die, die beobachtet wird.

Genau. Dabei ist das Beobachten von Menschen, Lücken erkennen und der Versuch, diese zu überbrücken, der eigentliche Motor meiner Humorarbeit.

Früher nahmen Sie das bürgerliche Leben hoch. Jetzt haben Sie Kinder und wohnen auf dem Land.

Es ist gleichermassen enttäuschend wie beruhigend, wie einen die Normalität einholt.

Das Gespräch führte Urs Gredig.

SRF 1, 8.5.2025, 22:25 Uhr ; 

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