Der vor einem Monat verstorbene Schauspieler Maximilian Schell sagte einmal: «Eine Oscar-Nomination zu kriegen ist die höchste Ehre, der Gewinn selbst ist Glückssache.» Der Schweizer gehört selbst zur auserwählten Liga der Oscarpreisträger.
Und diese wird am Sonntagabend um ein paar Glückliche reicher, wenn zum 86. Mal die Academy Awards vergeben werden. Die Favoriten scheinen dieses Jahr in den meisten Kategorien gesetzt. Doch wie man aus der Vergangenheit weiss: Hollywood ist immer für eine Überraschung gut.
Bester Schauspieler
Auch wenn Matthew McConaughey als haushoher Favorit gilt, ist die Ausgangslage hochspannend. Denn wohl manch einer im Dolby-Theater wird sich bei der Bekanntgabe des besten Schauspielers heimlich fragen: «Schafft er es doch? Holt er sich endlich die Trophäe?» Die Rede ist vom ungekrönten Prinzen von Hollywood, Leonardo DiCaprio. Schon etliche Male wurde er sowohl bei den Nominationen («Titanic», «The Departed») wie auch beim Oscar übergangen. Und der smarte Kalifornier wird auch bei seiner vierten Oscarnomination leer ausgehen, obwohl er in «The Wolf of Wall Street» seine Sache (einmal mehr) grandios macht. Dennoch: Zu unsympathisch ist DiCaprios Filmcharakter John Bedford, zu verwerflich der «Sex- & Drugs»-Lebensstil des selbstverliebten Börsenhais. Viel besser bei der Academy kommt da Matthew McConaughey an, der für seine Rolle als aidskranker Medikamentenschmuggler in «Dallas Buyers Club» über 20 Kilo abgemagert ist. Raubbau am eigenen Körper – Oscar sieht das gerne.
Beste Schauspielerin
Für ihre Rolle als geschasste Society-Lady in «Blue Jasmine» hat Cate Blanchett praktisch alle Preise der laufenden Award-Saison gewonnen. Die Sache schien mehr als beschlossen – der Australierin war der zweite Oscar (nach 2002 als beste Nebendarstellerin in «The Aviator») quasi sicher. Bis vor drei Wochen. Anfang Februar wird ihr «Blue Jasmine»-Regisseur Woody Allen mit Missbrauchs-Vorwürfen konfrontiert. Der New Yorker Filmemacher soll seine siebenjährige Adoptivtochter vor vielen Jahren sexuell belästigt haben. Ob wahr oder nicht, negative Schlagzeilen sind Gift für die Oscars. Auch wenn einige Academy-Mitglieder Allens Film deswegen keinen Oscar gönnen, die meisten werden der grossartigen Blanchett die Treue halten. So bleiben Hauptkonkurrentin Sandra Bullock («Gravity») nach wie vor nur Aussenseiter-Chancen.
Bester Nebendarsteller
Jared Leto kann seine Dankesrede getrost schreiben und auswendig lernen – es wäre keine vergebene (Sieges-)Mühe. Dank seiner Rolle als aidskranker Transsexueller in «Dallas Buyers Club» hat der Schauspieler, der hauptberuflich Leadsänger ist («30 seconds to Mars»), alle wichtigen Preise abgesahnt. Das macht Jared Leto zum absoluten Oscar-Favoriten. Der Amerikaner würde sich dabei in den exklusiven Club der sogenannten «first come first serve» einreihen, die mit ihrer ersten Oscar-Nomination auch gleich triumphierten. Auf mögliche Nebenbuhler sei an dieser Stelle daher verzichtet.
Beste Nebendarstellerin
Schon mal was von Lupita Nyong'o gehört? Nicht? Nun, die unbekannte Schauspielerin könnte Superstar Jennifer Lawrence am Sonntag die Show stehlen. Dank ihrer herzzereissenden Darbietung als leidgeplagte Sklavin in «12 Years a Slave» – es ist ihr erster Langspielfilm überhaupt – hat die in Kenia aufgewachsene Mexikanerin die Nase vorn. Sie hat von allen Nebendarstellerinnen diese Saison am meisten Preise gewonnen. Doch Jennifer Lawrence ist «Everybodys Darling» und seit ihrem letztjährigen Triumph für «Silver Linings Playbook» die bekannteste Schauspielerin Hollywoods. Es ist sicher das offenste Rennen dieses Jahres mit einem leichten Vorteil für Aussenseiterin Nyong'o.
Bester Film
Vor allem drei der neun nominierten Streifen dürfen sich im Rennen um den besten Film Chancen auf einen Oscar ausrechnen. Als Favoriten für die wichtigste Auszeichnung des Abends gelten aber nicht die zehnfach nominierten Filme «American Hustle» und «Gravity», sondern der neunmal berücksichtigte «12 Years a Slave». Die Geschichte eines ehrenwerten schwarzen Bürgers, der in den Süden verschleppt wird und lange Jahre als Sklave arbeiten muss, ist starker Tobak – und der politisch und gesellschaftlich wichtigste Film des Jahres. Diesem Meilenstein des amerikanischen Kinos den Oscar zu verwehren, davor wird sich die Academy hüten.
Beste Regie
Ein Kopf-an-Kopf-Rennen gibt es im Wettstreit um den Oscar für die beste Regie. Was die Anzahl der gewonnen Preise betrifft, wäre Alfonso Cuaron und sein Kassenschlager «Gravity» zu favorisieren. Wie der Mexikaner seine Vision mit technischem Hochaufwand zu einem bildgewaltigen Spektakel umgesetzt hat, hat ihm viele Bewunderer beschert. Steve McQueen dagegen ist mit der mutigen und schonungslosen Geschichtslektion «12 Years a Slave» eine wahre Tour-de-Force gelungen. Zudem würde zum ersten Mal ein dunkelhäutiger Regisseur gewinnen. Trotzdem dürfte der Academy die Entscheidung schlussendlich leicht fallen – dank einer altbewährten Masche. Liegen zwei Filme in der Gunst der Wähler gleich obenauf, werden der Film- und der Regie-Preis aufgeteilt. So darf sich also Alfonso Cuaron bei seiner zweiten Nomination auf seinen ersten Oscar freuen.
Sowieso wird Cuarons «Gravity» der grosse Abräumer des Abends sein. Obwohl das Weltraumspektakel nur einen der wichtigen Preise (Regie) holt, bei den technischen Kategorien wird er abräumen.
Der Oscar – viel braucht es, um ihn zu gewinnen. Wille, Mut, Fleiss, eine Vision, ein gutes Netzwerk und, da geben wir Maximilian Schell durchaus Recht, auch etwas Glück.