Als hätte sie gewusst, dass 2010 ihr letztes Jahr sein würde, startete Stephanie Glaser mit 90 noch einmal so richtig durch: Im Frühling drehte sie den Streifen «S'isch mer alles ei Ding» ab. Sie spielt darin eine Oma, die mit vier Enkelinnen in einer Haus-WG lebt. Im Herbst mimte sie eine schrullige Krimiautorin und Hobby-Ermittlerin in Sabine Boss' «Mord hinterm Vorhang» des Schweizer Fernsehens.
Solange sie mich wollen und solange es geht, werde ich arbeiten
«Alt werden heisst für mich nicht unbedingt, sich zur Ruhe zu setzen», erklärte Stephanie Glaser einst. «Solange sie mich wollen und solange es geht, werde ich arbeiten. Weil es mir Freude macht.»
Oft wirkte die Doyenne des Schweizer Films in Low-Budget-Produktionen für ein Handgeld mit – ebenso wie im Kurzfilm «Das Künstlerleben» von Patrick Claudet, den sie zehn Tage vor ihrem Tod im Zürcher Hauptbahnhof drehte.
Ausbildung in Wien
Stephanie Glaser wurde 1920 in Neuenburg geboren und wuchs in Bern in einer Hoteliersfamilie auf. Nach einer Aufführung von «Peterchens Mondfahrt» 1932 beschloss sie, Schauspielerin zu werden. Mit dem Segen der Eltern liess sie sich am renommierten Reinhardt-Seminar in Wien ausbilden.
Nach dem Einmarsch Hitlers verliess sie Wien und kehrte – ungern, wie sie später betonte – nach Bern zurück, spielte im Stadttheater kleine Rollen und trat auf der Soldatenbühne «Bärentatze» auf. Nach dem Krieg landete die Schauspielerin beim Cabaret Fédéral in Zürich und spielte in Gotthelf-Verfilmungen von Franz Schnyder mit.
Mit 86 erste Hauptrolle
Zum Publikumsliebling avancierte sie erstmals 1974 bis 1981, als sie als Tante Elise mit Goldfisch «Traugottli» in der Fernsehshow «Teleboy» von Kurt Felix auftrat.
Mehrfach ausgezeichnet kehrte sie Ende der 1980er-Jahre zum Film zurück. Sie spielte mit bei «Klassäzämekunft», «Leo Sonnyboy», «Sternenberg» oder «Mein Name ist Eugen» und – als Krönung – in Bettina Oberlis Kassenschlager «Die Herbstzeitlosen» mit 86 Jahren ihre erste Hauptrolle.
Sie gibt darin eine gelernte Schneiderin, die nach dem Tod ihres Mannes in einem Emmentaler Dorf ein neues Leben beginnt und – zum Ärger der dortigen Scheinheiligen und Hinterwäldler – mit 80 Jahren noch eine Lingerie-Boutique eröffnet. «Die Herbstzeitlosen» war 2006 der beliebteste Kinofilm der Schweiz und gehört zu den fünf erfolgreichsten Schweizer Filmen der letzten 25 Jahre.
Auszeichnungen am laufenden Band
Kein Wunder, dass Stephanie Glaser als Publikumsliebling des Jahres mit dem Prix Walo 2006 ausgezeichnet wurde. Im selben Jahr erhielt sie den Swiss Award in der Sparte Kultur und den Spezial-Leoparden beim Filmfestival Locarno.