Mit seinen 80 Jahren ist das «Echo der Zeit» eine der ältesten politischen Hintergrundsendungen im deutschsprachigen Raum. Nach wie vor erreicht ihr mit knapp 30 Prozent Marktanteil ein sehr grosses Publikum. Wie gelingt euch das?
Matthias Kündig: Das «Echo der Zeit» ist nicht einfach eine Radiosendung: Es ist eine Idee, die seit 80 Jahren mit Leidenschaft weitergetragen wird – eine Idee von zuverlässiger, unaufgeregter Berichterstattung. Wir schauen auch dann hin, wenn nicht sowieso alle Medien berichten. Wir möchten den Menschen jeden Tag helfen, die Welt und deren Entwicklungen zu verstehen und einzuordnen. Wissen ist das beste Mittel gegen die Angst, die viele in turbulenten Zeiten zu überrollen droht.
SRF ist ein Reservoir an viel Fachwissen, Kompetenz und Erfahrung.
Dank dem digitalisierten Audioarchiv sind heute alle «Echo der Zeit»-Beiträge seit dem Geburtsjahr 1945 online verfügbar. Wie hat sich die journalistische Handschrift der Sendung im Laufe der Jahrzehnte verändert – und was ist konstant geblieben?
Die Ansprache des Publikums ist weniger förmlich und auch Politikerinnen und Politikern gegenüber war man früher sehr unterwürfig. Zudem haben die technischen Möglichkeiten das Tempo der Berichterstattung verändert. Heiner Gautschy, USA-Korrespondent von 1949 bis 1967, musste seine Beiträge – damals auf Magnetband – am JFK-Flughafen in New York einer Swissair-Hostess im Couvert übergeben. Am Zürcher Flughafen nahm jemand vom Radiostudio das Band wieder in Empfang. Heute können wir fast in Echtzeit berichten. Und trotzdem nehmen wir kritische Distanz und reflektieren. Unaufgeregtheit und Verlässlichkeit bleiben unsere Fixpunkte.
Eine Reise durch 80 Jahre «Echo der Zeit»
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Bild 1 von 9. Heiner Gautschy, bekannt als «Stimme aus New York», interviewt fürs «Echo der Zeit» im Jahr 1949 einen Piloten im Cockpit. Bildquelle: SRF.
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Bild 2 von 9. Hans O. Staub am Schreibtisch: Zusammen mit Annemarie Schwyter, Heiner Gautschy und Theodor Haller gehörte er zum ersten festen Korrespondenten-Team. Bildquelle: SRF.
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Bild 3 von 9. Mit Begeisterung bei der Arbeit: «Echo der Zeit»-Korrespondentin Annemarie Schwyter im Jahr 1956 während eines Interviews . Bildquelle: SRF.
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Bild 4 von 9. 1971 im Radiostudio Bern: Operatrice Marlis Conrad am Mischpult bei der Aufnahme des «Echo der Zeit», durch das Fenster sichtbar ist Raul Lautenschütz am Mikrofon. Bildquelle: SRF/Noel Weber.
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Bild 5 von 9. Von Zeit zu Zeit verlässt das «Echo der Zeit» das Studio und berichtet aus verschiedenen Orten in der Schweiz: Hier wird im Jahr 1997 aus einer Villa im Tessiner Mendrisio gesendet. Bildquelle: SRF.
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Bild 6 von 9. Für «Der Berg hat das Wort» geht das «Echo der Zeit» live aus den Alpen auf Sendung, hier aus Chamonix. Bildquelle: SRF.
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Bild 7 von 9. Die Entstehung einer Sendung erfordert oftmals Multitasking-Fähigkeiten, so bereits im Jahr 2002: Lis Borner am Telefon und zugleich im Austausch mit dem Redaktionsteam des «Echo der Zeit». Bildquelle: SRF/Dominic Büttner.
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Bild 8 von 9. Auch heute unverzichtbar: die Redaktionssitzung des «Echo der Zeit»-Teams. Hier im Jahr 2019 mit (von links nach rechts) Nicoletta Cimmino, Beat Soltermann, Judith Huber (mit dem Rücken zur Kamera), Roger Brändlin und Simone Hulliger . Bildquelle: SRF/ Oscar Alessio.
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Bild 9 von 9. Stets ein spannendes Erlebnis: Moderatorin Simone Hulliger und Samuel Emch bei der Live-Sendung des «Echo der Zeit» am SRF-Korrespondententag 2023 im Radiostudio Bern . Bildquelle: SRF/Marion Nitsch.
Apropos Verlässlichkeit: Seit der Einführung des Qualitätsrankings der Schweizer Medien belegt das «Echo der Zeit» stets den Spitzenplatz. Wie schafft ihr es, so zuverlässig hochqualitative Inhalte zu produzieren?
SRF ist ein Reservoir an viel Fachwissen, Kompetenz und Erfahrung. Das «Echo der Zeit» existiert, weil wir ein Korrespondentennetz und Fachredaktionen haben. Wir ziehen alle an einem Strang. Vom Rechtsexperten in einer Fachredaktion bis zur Korrespondentin: Ich kann immer jemanden anrufen und um fachliche Einschätzung bitten – daraus entstehen nicht selten Berichte oder Gespräche für die Sendung. Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, einzuschätzen, welche Nachrichten tatsächlich langfristige Auswirkungen haben und was heute zwar viele aufregt, aber morgen schon wieder vergessen ist: Das ist der Kern unserer Arbeit als Redaktion.
Nach welchen Kriterien entscheidet ihr, welchen Nachrichten sich eure Sendung widmet?
Aktualität spielt natürlich eine Rolle, wird aber bei SRF auch durch die stündlichen Nachrichten und die News App abgedeckt. Wir machen im «Echo der Zeit» primär Vertiefung, wollen die Zusammenhänge und potenzielle Auswirkungen aufzeigen. Und darum ist Relevanz ein ganz wichtiges Kriterium: Wie viele Menschen betrifft das Ereignis wie stark und welche Auswirkungen hat es auf längere Sicht – auch auf das Leben derjenigen, die uns zuhören?
Eine Radiosendung lebt auch von den Stimmen, die sie präsentieren. Welche ehemalige «Echo der Zeit»-Persönlichkeit hättest du gerne einmal persönlich getroffen?
Annemarie Schwyter. Sie berichtete ab 1950 als Korrespondentin fürs «Echo der Zeit» und mich nimmt es wunder, wie sie als einzige Frau in einem Männerteam die Zeit erlebt hat. Wahrscheinlich musste sie zwanzigmal besser sein als alle Männer, damit sie den Job überhaupt bekam …
Künstliche Intelligenz und Fake News mischen die Nachrichtenbranche auf. Auch die Hörgewohnheiten des Publikums verändern sich. Wie wird die Sendung in zehn Jahren aussehen?
Gerade in einer Zeit, in der so viele Informationen vorhanden, aber die Menschen mit dieser Menge zunehmend überfordert sind, werden Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit ein knappes Gut. Und darum bin ich zuversichtlich, dass es in zehn Jahren immer noch ein «Echo der Zeit» gibt, das die Kernidee der Sendung weiterträgt – in welcher technischen Form auch immer.