Formel 1 begleitet Sie schon das halbe Leben. Was macht die Faszination an diesem Rennsport aus?
Nico Müller : Bei mir hat sich die Faszination für den Rennsport schon früh gezeigt. Zuerst als Hobby mit Gokart. Ich war ein kleiner Junge, der einfach Freude daran hatte, schnell im Kreis zu fahren. Ein grosser Faktor ist sicher die Geschwindigkeit und das Adrenalin. Aber auch die Technik und das Engineering, die in der Formel 1 stecken und sich Jahr für Jahr weiterentwickeln. Das Zusammenspiel von Mensch und Maschine macht diesen Sport für mich so einzigartig. Du bist nicht nur von deiner Leistung abhängig, sondern musst das Maximum aus dem Auto herausholen. Damit du auf der Strecke deine Leistung abrufen kannst, bist du stark auf die Ingenieure und Mechaniker angewiesen.
Oliver Sittler : Ich bin seit Kind fasziniert von Autos, vielleicht auch, weil ich in einem kleinen Ort im Norden von Bayern gross geworden bin, ohne exotische Unterhaltungsmöglichkeiten. Mein erstes selbst verdientes Geld habe ich in kleine Ferrari-Modelle investiert. Meine Mutter hat mal gesagt, ich soll den Fernseher ausschalten, Formel 1 brauche kein Mensch (lacht) . Aber seit ich im Rennsport involviert bin, fasziniert mich vor allem die Technik. Wir arbeiten an der Grenze der Physik, an der Grenze des technisch Machbaren. Jedes Jahr geht es weiter nach vorn. Dann kommt eine Regeländerung und der Markt würde ein paar Jahre brauchen, um sowas in Serienautos zu implementieren. In der Formel 1 wird einen Winter lang entwickelt und dann ist ein Lösungssystem da.
Die Königsklasse des Rennsports erlebt derzeit einen regelrechten Boom. Wie erklären Sie sich das?
Oliver Sittler : 2021 war gerade in der Formel 1 die spannendste Saison der letzten Jahrzehnte mit interessanten Konkurrenzsituationen und sympathischen Fahrern wie Charles Leclerc oder Max Verstappen. Die aktuelle Regeländerung sorgt für noch mehr Faszination: Die Autos sehen viel schnittiger aus als in den letzten Jahren, können dichter hintereinander fahren und die Rennen werden spannender. Zudem inszeniert sich die Formel 1 seit Jahren gut. Die Publikumseinbindung ist eben die Grundlage dafür, dass du mehr Anerkennung in der Community bekommst. Je mehr Einblick die Fans bekommen, umso mehr leben sie mit.
Nico Müller: In Europa ist Formel 1 schon lange präsent und als Sportart nach Fussball diejenige Disziplin, die die grösste Strahlkraft geniesst. In jüngster Zeit ist es Formel 1 aber vermehrt gelungen, das junge Publikum anzusprechen. Zum aktuellen Boom hat sicher auch die Netflix-Serie «Drive to Survive» beigetragen – insbesondere was den amerikanischen Markt angeht. Dieser ist sehr gross und es tut wohl dem ganzen Sport gut, wenn man ihn aktivieren kann. Wichtig ist aus der Perspektive eines Fans einfach, dass trotz der ganzen Expansion die Tradition nicht ganz verloren geht. Es tönt vielleicht etwas kitschig, aber ich glaube, dass Formel 1 von seiner Geschichte lebt. Und weil diese mit ihren Fahrern und Rennstrecken so einzigartig ist, müssen wir sie auch pflegen.
Nico Müller, Sie sind nebst Ihrer Kommentatoren-Tätigkeit aktiver Rennfahrer. Wie gelingt Ihnen die Trennung zwischen diesen beiden Perspektiven?
Nico Müller : Diesen Spagat hinzukriegen wird sicher eine Herausforderung. Ich werde versuchen Informationen und Hintergründe aus meiner Sicht einfliessen zu lassen, andererseits muss ich aufpassen, dass ich nicht nur die Expertensicht einnehme sondern auch Laien abhole. Da ich aber nicht in der Formel 1 mitfahre, fällt mir diese Trennung wohl nicht allzu schwer.
Oliver Sittler, Sie bringen über 20 Jahre Erfahrung als Kommentator mit. Welche Überraschungen hält Ihr Arbeitsalltag noch für Sie bereit?
Oliver Sittler : Das ist genau das Faszinierende an diesem Sport: Es passieren ständig Dinge, die man unmöglich vorhersehen kann – ob das jetzt ein Qualifying-Unfall ist wie in Dschidda oder ob das ein Rennunterbruch ist, was jederzeit passieren kann. Das macht es auf der einen Seite vielleicht nicht leicht, aber ich mag diese Abwechslung. Ich bin als Kommentator selbst gespannt, was als nächstes geschieht und das ordentlich rüberzubringen und zu erklären, ist mein Ziel.
Jeder Kommentator hat einen eigenen Stil. Wie würden Sie den Ihrigen beschreiben?
Oliver Sittler: Nach dem Abitur habe ich angefangen, beim Radio zu arbeiten. Dabei habe ich gelernt, mich in die Rolle des Konsumierenden zu versetzen. Was würde ich als Zuhörer gerne wissen? Ich bin ein neugieriger Typ und interessiere mich für die Hintergründe. Deshalb versuche ich alles so zu erklären, dass das Publikum folgen kann und keine Fragen offenbleiben. Dabei ist mir Übersicht und Sachlichkeit wichtig.
Nico Müller: Ich muss meinen Stil erst noch finden. Zwar durfte ich bereits als Experte auftreten, aber das ist etwas anderes. Da wird dir der Ball zugespielt und du sprichst, wenn es gerade passt. Aber jetzt muss ich selbst herausfinden, wo meine Stärken über eine gesamte Kommentierdauer liegen. Das wird ein Prozess, der zwei, drei Rennen dauert.
Als nächstes steht am Sonntag, 8. Mai, der grosse Preis von Miami an. Wie bereiten Sie sich auf das Rennen vor?
Oliver Sittler : Generell ist es wichtig zu wissen, was in den Vorjahren geschehen ist. Das wird für Miami nicht möglich sein, da es sich um eine Premiere handelt. Ich versuche aber auch, mit den Leuten aus dem Rennbetrieb zu sprechen, zum Beispiel rufe ich einen Teamchef an oder tausche mich mit ehemaligen involvierten Personen aus. Es gibt mir Sicherheit, wenn ich mir ein umfangreiches Bild machen kann. Und natürlich hilft es auch immer, die Regeln zu kennen.