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Hallo SRF! «Rhetorisches Armdrücken ist Nationalsport»

Fünf Jahre lang lenkte Emmanuel Macron die Geschicke Frankreichs – und SRF-Korrespondentin Alexandra Gubser berichtete darüber. Die Präsidentschaftswahlen bilden die grosse Klammer ihrer Zeit in Frankreich. Bevor die Korrespondentin nach Deutschland wechselt, schaut sie zurück und in die Zukunft.

Am 10. April wählt Frankreich sein Staatsoberhaupt. Wie präsentiert sich die Lage derzeit vor Ort?
Alexandra Gubser: Es sind vier Frauen und acht Männer, die in den Élysée-Palast einziehen wollen, respektive mit Emmanuel Macron ein amtierender Präsident, der nicht auszuziehen gedenkt. Der Wahlkampf beschränkte sich lange Zeit aufs Schattenboxen, wochenlang fetzten sich die Herausforderer untereinander, doch nun überschattet der russische Angriff auf die Ukraine den französischen Wahlkampf stark. Macron befindet sich im diplomatischen Krisenmodus und hat seinen Hut erst einen Tag vor Ablauf der Eingabefrist offiziell in den Ring geworfen. Als oberster Befehlshaber hat der Präsident seine Favoritenrolle weiter ausgebaut. Macron hat derzeit in Wahlumfragen einen soliden Vorsprung.

Hat Emmanuel Macron Erfolg, wäre er der erste französische Regierungschef seit zwei Jahrzehnten, dem die Wiederwahl gelingt. Wagen Sie eine Prognose?
Eigentlich ist klar: Emmanuel Macron wird die Wiederwahl schaffen. Die Aktualität bestätigt, was er in seinem EU-Bekenntnis schon vor fünf Jahren gefordert hatte: eine gemeinsame europäische Verteidigungsstrategie, eine gemeinsame Verschuldung innerhalb der EU, mit Frankreich und Deutschland als Zugpferden. Und auch wenn es in der Pandemie zu mancher Panne kam: Viele sind ihm für die finanzielle Abfederung der Covid-Krise dankbar. Zahllose Unternehmen wurden vor dem Konkurs bewahrt. Überhaupt hat Macron Zustimmungsraten im Volk, von denen seine Vorgänger nur träumen konnten. Marine Le Pen dominiert das rechte Lager zwar und hätte derzeit mit 16 Prozent Wähleranteil noch die besten Chancen. Angesichts der komfortablen Ausgangslage von Macron sind sich bislang jedoch alle Politanalysten einig: Er schafft es in die Stichwahl und wird diese zu mindestens 60 Prozent für sich entscheiden, egal wer ihm gegenübersteht.

Dabei zu sein, wenn Geschichte geschrieben wird, ist Genuss genug.

Für Sie wird es die letzte französische Präsidentschaftswahl, die Sie als TV-Korrespondentin begleiten, bevor Sie für SRF aus Deutschland berichten. Werden Sie Zeit finden, diesen Moment noch zu geniessen?
Die Präsidentschaftswahl ist Anfang und Ende meines Korrespondentenmandats, der Kreis schliesst sich also. Zum Geniessen bleibt zwischen Reportagen fürs «10vor10», Newsbeiträgen für die «Tagesschau» und Live-Schalten allerdings nicht viel Zeit. Aber dabei zu sein, wenn Geschichte geschrieben wird, ist Genuss genug.

Fünf Jahre lang lebten Sie für Ihre Stelle in Paris. Was wird Ihnen an der Stadt am meisten fehlen?
Die Gastfreundlichkeit der Französinnen und Franzosen. Angefangen von den Nachbarn, die mich herzlich in ihrer Mitte aufgenommen haben, über die lokalen Kameramänner, Kolleginnen anderer Fernsehstationen bis zu den Menschen vor meinem Mikrofon. Auch ihre Debattierfreudigkeit wird mir fehlen: rhetorisches Armdrücken ist Nationalsport und in französischer Sprache doppelt vergnüglich, weil sich selbst Sticheleien anhören wie eine Liebeserklärung. Da meine Liebe zu Frankreich aber auch durch den Magen geht, werde ich die kleinen Bistrots und Brasserien vermissen. Und das allerbeste Baguette der Stadt, «la craquante».

Nach zahlreichen Reportage-Einsätzen in Frankreich: Verraten Sie uns Ihre persönlichen Highlights?
Es ist das Eintauchen in mir völlig fremde Milieus, das mich bereicherte. Sei es beim Drehen mit Brexit-gebeutelten Fischern in der Bretagne oder mit Nadelfetischisten in einem Tattoo-Salon. Seien es Interviews bei bissiger Kälte mit den Gilets-Jaunes oder tief in den kilometerlangen Kreide-Kellern der Champagner-Produzenten. Immer wieder hatte ich beeindruckende Menschen vor dem Mikrofon. Wie Madleine Riffaud, die vife 98-jährige ehemalige Résistance-Kämpferin oder den unbekannten Feuerwehrmann, der sich mutig zurück in den Feuersturm der Kathedrale Notre Dame stürzte – die Liste liesse sich endlos fortsetzen.

In Erinnerung bleiben dürfte auch Ihr Sprung vom Eiffelturm. Auf welche spektakuläre Aktion dürfen sich die Zuschauerinnen und Zuschauer freuen, wenn Sie aus Berlin berichten?
Na, vom Fernsehturm am Alexanderplatz werde ich wohl nicht hüpfen können. Dafür vielleicht in den rumpeligen Paternoster des Rathauses Schöneberg? Aber lassen Sie mich Berlin erst mal entdecken.

Im Sommer 2022 steht der Wechsel in die deutsche Hauptstadt an. Worauf stellen Sie sich ein?
Auf eine andere, aber sicher ebenso spannende Zeit wie in Paris. Kann die fragile Balance der Ampelkoalition in der Realpolitik bestehen? Der russische Angriff auf die Ukraine hat zu einer Zeitenwende in der deutschen Politik geführt. Wenn 100 Milliarden Euro in die Aufrüstung gesteckt werden, was wird denn aus Vorzeigeprojekten wie dem Bürgergeld? Ich bin sicher, die Themen werden mir nicht ausgehen.

SRF-Programm zu den Wahlen

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Folgende SRF-Beiträge beleuchten die Wahlen in Frankreich:

  • «10vor10»-Serie «Das zersplitterte Frankreich».
  • Wahlabstinenz der Jungen – Thema beim «NewsPlus»-Podcast.
  • Bekannte Schweizerinnen und Schweizer in Paris – Serie bei «Gesichter und Geschichten», die zwischen dem ersten und dem zweiten Wahlgang ausgestrahlt wird.
  • An den beiden Wahlsonntagen vom 10. und 24. April berichtet SRF laufend Online, in Radio und Fernsehen über die neusten Entwicklungen im Nachbarland.

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