Zum Inhalt springen

Leben mit Multiple Sklerose «Den Weg mit der MS gehst du ganz allein»

Philipp Hurschler kennt die unheilbare Krankheit von seiner Mutter. Nun hat der 27-Jährige dieselbe Diagnose bekommen.

Seit fast 30 Jahren ist Theres Hurschler an Multipler Sklerose erkrankt. Sie sitzt im Rollstuhl und zog zwischenzeitlich ins Alters- und Pflegeheim – mit Mitte vierzig. Schon früh mussten ihre Kinder Philipp und Nicol lernen, mit der Krankheit der Mutter zu leben, deren Kraft immer mehr schwand.

Dann meldet ihr Sohn sie bei «Happy Day – Ferienflieger» an. So darf die Engelbergerin im Frühling 2022 gemeinsam mit ihrer Familie einige unbeschwerte Ferientage auf Sardinien verbringen. Sogar Grossmutter Annelies ist mit dabei und streckt zum ersten Mal in ihrem Leben die Füsse ins Meer.

Nur wenige Wochen nach der Sardinien-Reise plagen Philipp Hurschler Symptome, die ihn beunruhigen. Er hat Rückenschmerzen, ist dauernd müde, egal wie lange er schläft.

Diagnose im gleichen Raum wie einst die Mutter

Seine Mutter Theres scherzt, er habe doch hoffentlich nicht MS. An einem Sonntagmorgen Anfang Oktober wacht er mit Lähmungserscheinungen im rechten Arm auf. Sofort fällt ihm das Gespräch mit der Mutter wieder ein. Er lässt sich untersuchen, besteht auf ein MRI («Magnetic Resonance Imaging», eine Kernspintomographie) und bekommt die Diagnose im gleichen Raum wie einst seine Mutter: Es ist tatsächlich Multiple Sklerose.

Was ist Multiple Sklerose?

Box aufklappen Box zuklappen
  • MS ist eine chronische Erkrankung des Nervensystems, wobei die eigenen Abwehrzellen Nerven angreifen und zerstören.
  • Wieso das passiert, ist bis heute unklar.
  • Erste Symptome sind meistens vorübergehende neurologische Ausfälle, zum Beispiel Sehstörungen (Doppelbilder), Empfindungsstörungen (Kribbeln) oder Muskellähmungen.
  • Die meisten Betroffenen erhalten die Diagnose MS im frühen Erwachsenenalter.
  • Die Erkrankung ist derzeit noch nicht heilbar.

Ein Schock für den jungen Mann, der erst gerade ein berufsbegleitendes Studium in Sozialer Arbeit begonnen hat. Seit frühester Kindheit kennt er die Tücken dieser unheilbaren Krankheit. «Das Kapitel MS hat mein Leben so dominiert und es findet jetzt nie einen Abschluss.» Auch die Ungewissheit über den Verlauf der Krankheit macht ihm zu schaffen. Nicht umsonst wird die MS auch «Krankheit der 1000 Gesichter» genannt – sie verläuft bei allen Betroffenen anders.

Egal, wie viele Menschen du in deinem Umfeld hast: Den Weg mit der MS gehst du ganz allein.
Autor: Philipp Hurschler

Noch am Tag der Diagnose erzählt er es seiner Mutter, die ihm Mut macht: «Wir werden einen Weg finden. Die Medizin ist weiter als damals bei mir.» Mit ihr kann er über seine Ängste sprechen. Sie selbst sei immer offen mit der Krankheit umgegangen und habe sich nie selbst bemitleidet. Ein lebensfroher Mensch und Vorbild für ihn – «auch ohne MS wäre sie eins», wie er betont.

Die Sorge, ob der Körper noch funktioniert wie am Vortag

Doch auch wenn er froh ist, auf seine Familie und auf Freundinnen und Freunde zählen zu können, ist ihm klar: «Egal, wie viele Menschen du in deinem Umfeld hast: Den Weg mit der MS gehst du ganz allein.» Etwa abends ins Bett, mit den Gedanken, die kreisen. Oder am Morgen in den Tag, mit der Sorge, ob der Körper noch so funktioniert wie am Tag zuvor.

Aktuell geht es ihm körperlich gut. Die Multiple Sklerose wurde in einem frühen Stadium entdeckt. Sie ist bisher nicht gewachsen, zeigt einen milden Verlauf. Allerdings plagen ihn starke Müdigkeit und Erschöpfung, die Fatigue, sodass er sich in der Mittagspause oft hinlegen muss. Seine Hoffnung: «Dass die Krankheit nebensächlich wird und mich die Leute nicht über die MS definieren.»

Nur neun Monate nach der Diagnose klingt Hurschler erstaunlich positiv und gefasst. Ohne es zu ahnen, hat er viele Jahre lang Erfahrungen gesammelt im Umgang mit einer Krankheit, die nun auch sein eigenes Leben prägt.

Danke Happy Day – Ferienflieger, SRF 1, 21.07.2023, 20:05 Uhr

Meistgelesene Artikel