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Matthias von Spallart
Legende: Matthias von Spallart SRF Archiv

Hörspiel Der Kunstkopfmann – Matthias von Spallart

Als sich Matthias von Spallart 1981 das Leben nahm, im Alter von nur 37 Jahren, verschwand einer, der immer wieder aufs Neue aufgezeigt hatte, was in der Radiokunst alles möglich ist. Geblieben sind Hörspiele und Features, die bis heute nichts eingebüsst haben an Mut und Modernität.

«Bartleby der Schreiber» von Herman Melville

Das Ringen um den wahrhaftigen Ton, um die stimmigen Untertöne in einem gesprochenen Text und das Auffinden der richtigen Sprechhaltung waren existentiell für Matthias von Spallart. Und es führte zu Ergebnissen, die zu den Klassikern der Hörspielgeschichte gehören.

Unvergesslich sind, zum Beispiel, seine 1976 entstandene Hörspielfassung von Herman Melvilles Erzählung «Bartleby, der Schreiber» und darin Wolfgang Forester als obdachloser Bartleby, der, obwohl grosszügig aufgenommen, jegliche Verrichtung als Gegenleistung für das Asylrecht immer wieder aufs Neue verweigert mit dem höflichen Satz «Ich möchte lieber nicht». (Claude Pierre Salmony, Hörspielregisseur)

«Brasil» von Matthias von Spallart

Am Ende seines kurzen Lebens, 1981, begab sich Matthias von Spallart in das brasilianische Amazonasgebiet, nicht zuletzt auch, um einen künstlerischen Protest einzulegen gegen die Zerstörung des Regenwaldes zum Zweck monokultureller Bodennutzung, etwa für die Papierproduktion.

Dort traf er auf einen indigenen Waldbewohner, der als einziger einer zwangsweise umgesiedelten Dorfgemeinschaft zusammen mit seinen Kindern auf einer Flussinsel geblieben war.

Das aufgenommene Gespräch dieser kleinen Familie in einer nur noch von wenigen gesprochenen Sprache ist nicht verständlich. Gerade darum wirkt die friedliche Gelöstheit auf uns umwerfend stark. Und auf die Zwiesprache, die der kundige Gastgeber durch Tierlautimitationen mit den Tieren hält, projizieren wir abendländische Gemüter nur allzu gerne die Vorstellung vom Glück eines schlichten Lebens jenseits von Sinn und Bedeutung. Das tut wohl. (Claude Pierre Salmony, Hörspielregisseur)

«I heisse Bärger» von Gerhard Aberle

Ein Mann mittleren Alters, der geachtete Primarschullehrer Berger, wacht auf. Ein neuer, ganz gewöhnlicher Arbeitsalltag wartet auf ihn. Doch Berger wird von Erinnerungen an den vergangenen Abend überfallen. Er hat grosse Schuld auf sich geladen, von der ausser ihm niemand etwas ahnt. Obwohl ein schlechtes Gewissen zu nagen beginnt und Gedanken der Verzweiflung Bergers Verstand übernehmen, spielt Berger weiter Alltag, versucht sich in Arbeit zu flüchten.

In einer kongenialen Dialektfassung von 1977 mit grossem Ensemble, inklusive einer echten Schulklasse, führt von Spallart den Schauspieler Franz Matter zu einer eindringlichen Darstellung der Rolle des «Bärger». Er führt erschaudernd die innere Hölle eines Schuldigen vor, der sich in der Heilen-Welt-Kulisse einer geordneten ländlichen Gemeinde selbst zerfleischt. (Mark Ginzler, Hörspielregisseur)

«Ist Rupert F. Zybel ein Alpha-Typ?» von Christoph Gahl

Ein Hörspiel von 1976 zur schönen neuen Arbeitswelt, das nichts an Aktualität eingebüsst hat. Es führt an der Person und Arbeitskraft Rupert F. Zybel eindrücklich vor, wie ein feinsinniger, intelligenter Mensch zur fremdgesteuerten Figur in einem Machtspiel am Tisch von Personalstrategen eines grossen Unternehmens verkommt.

Wie Führungskräfte «menschliche Ressourcen» gegen diese selbst ausspielen und rücksichtlos verbrennen – und das bei vordergründig flachen Hierarchien und vertikalen Entscheidungsstrukturen.

Wie ein ehrgeiziger, sympathischer Mitarbeiter dazu gebracht wird, bei scheinbar maximaler Freiheit beim Aufstieg in einem modernen Unternehmensapparat minimal selbstbestimmt zu handeln. Ein erhellendes, präzise in Szene gesetztes Stimmenspiel mit grossartigen Schauspielern. (Mark Ginzler, Hörspielregisseur)

«Das Matterhorn – Zermatt: Metamorphose eines Hundertseelendorfes» von Matthias von Spallart, Aldo Gardini und Ekkehard Sass

In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts kam das Radiofeature auf, das nicht Reportage sein wollte, sondern eine quasi epische Gattung, die in grossen Bögen Lebensräume und Lebensgeschichten beschrieb mittels Originaltonaufnahmen mit möglichst wenig Kommentartext aus dem Off.

In der Palette der medialen Formen war das Feature der Gegenpol zum erschriebenen und inszenierten Hörspiel. Hier wurde der Welt abgelauscht, was man zeigen wollte.

In «Das Matterhorn – Zermatt: Metamorphose eines Hundertseelendorfes» beschäftigte sich Matthias von Spallart 1979 mit der Entwicklung einer Landschaft zum Tourismusprodukt. (Claude Pierre Salmony, Hörspielregisseur)

Wer war Matthias von Spallart?

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Matthias von Spallart, 1944 in Klagenfurt geboren, floh noch im selben Jahr mit seinen Eltern, der Schauspielerin Milena von Eckhardt und dem Schauspieler Johannes von Spallart, vor dem Zweiten Weltkrieg in die Schweiz. Nach einem Studium der Malerei und Grafik an der Kunstgewerbeschule Basel und einer Ausbildung am «Bühnenstudio Zürich» war er als Schauspieler tätig, u.a. an der Komödie Basel. Er absolvierte eine Film- und Fernsehausbildung an der London School of Film Technique. Ab 1975 arbeitete er bei Schweizer Radio SRF als Hörspielregisseur und weitete sein Tätigkeitsgebiet auch auf das Feature aus. Vor Fertigstellung seines Brasil-Features nahm er sich 1981 das Leben.

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