Nach Malta kommen die Gäste zum Baden, wegen der vielen Tempelruinen oder um Englisch-Kurse zu belegen. Aber eigentlich wäre Malta auch ein Eldorado für Filmtouristen. Der Inselstaat mit seinen vielen historischen Gebäuden aus verschiedenen Epochen und den unzähligen Klippen und Stränden diente schon so manchem Hollywood Regisseur als Kulisse. «Captain Philipps» mit Tom Hanks wurde hier gedreht, genauso wie «Gladiator» mit Russel Crowe oder «München» mit Moritz Bleibtreu. Zu Maltas Stammgästen gehört aber auch Brad Pitt. Hier stand er erstmals für «Troja» vor der Kamera, dann für «World War Z» und ganz aktuell für den Film «By the sea», bei welchem seine Ehefrau Angelina Jolie Regie führte.
Die lebendige Filmenzyklopädie
Die erste Anlaufstelle für Filmschaffende, die Fragen haben zu ehemaligen Schauplätzen oder die nach potentiellen zukünftigen Drehorten suchen, ist Jean Pierre Borg. Seit ihn in den Neunziger Jahren das Filmvirus packte, sammelt er zu allen Filmen, die je auf Malta gedreht wurden, Informationen. Er ist eine lebendige Filmenzyklopädie. Nebst natürlichen Traumkulissen gibt es an Maltas Küste auch zwei etwas ins Alter gekommene Wassertanks. In ihnen ist es möglich Aufnahmen zu machen, die wirken, als ob sie Mitten im Meer gedreht worden wären. Das Areal ist aber auch ein Friedhof für Filmrequisiten. Jean Pierre Borg führt Reporterin Nina Mavis Brunner vorbei an einem Modell von Moby Dick und an Schiffswracks. Von jedem weiss er in welchen Szenen es vorkam. Als er den Kopf einer Statue aus der erfolgreichen TV-Serie «Games of Thrones» vom Boden aufhebt, sieht man ihm an, wie schwer es ihm fällt, dass dieses Unikat hier verrottet und nicht in einem Filmmuseum steht. Er sieht ein grosses ungenutztes Potential für den Filmtourismus. Aufgrund seiner Initiative entsteht nun eine Filmlandkarte, auf welcher alle Drehorte bekannter Filme eingezeichnet sind.
Die berühmte Statue aus «Games of Thrones» müsste für Film-Fans in Valletta aufgestellt werden und nicht hier am Boden liegen.
Auffallend auf der «Malta movie map» wird sein, dass es nebst den Schauplätzen der Hollywood Blockbuster, hier kaum ein Film entstand, dessen Geschichte selbst in Malta spielt. Denn während der Staat internationale Grossproduktionen mit Steuergeschenken ins Land lockt, steckt die einheimische Filmindustrie noch in den Kinderschuhen.
Eine Ausnahme ist der Film «Simshar» der jungen Regisseurin Rebecca Cremona. «Simshar» ist ein Lichtblick und ein Meilenstein für die einheimischen Filmemacher. Cremonas Erstlingswerk ist gleich in zweierlei Hinsicht Maltesisch. Es ist die erste nationale Produktion von dieser Grösse, die staatlich gefördert wurde und Malta ist darin tatsächlich als Malta zu sehen. Der Spielfilm basiert auf einer wahren Gegebenheit, auf einer Tragödie, die sich vor der Küste Maltas abgespielt hat. Der Inhalt ist politisch brisant und könnte aktueller nicht sein.
Die lokale Bevölkerung war stolz und glücklich, dass ihr Dorf für einmal wirklich als ihr Dorf auf der Kinoleinwand erscheinen wird.
In die Situation eines Migranten versetzt
Im Zentrum steht das Unglück eines Maltesischen Fischerboots. An Bord sind der elfjährige Theo, sein Vater, Grossvater und ein Gehilfe. Das Boot kentert auf hoher See, in den Gewässern zwischen Malta und Libyen. Die Schiffbrüchigen winken einem vorbei fahrenden Frachter zu, doch dieser ignoriert die Hilfesuchenden, obwohl er laut internationalem Seerecht verpflichtet wäre zu helfen. Der Kapitän meint, es seien afrikanische Migranten. Er fürchtet, er könnte als Schlepper angesehen werden und seine Fracht zu spät ausliefern. Nur eine der vier Personen überlebt das Unglück. Regisseurin Cremona konnte in ihrer Heimat viele Diskussionen anregen. Die Kinogänger leiden mit den Schiffsbrüchigen Maltesischen Fischern mit und werden so in eine Situation versetzt, in der sich tausende von Bootsflüchtlingen in diesen Tagen im Mittelmeer befinden.
Der internationale Durchbruch
Mit ihrem Erstlingswerk gelang Rebecca Cremona ein riesiger Erfolg. An diversen internationalen Festivals präsentierte sie den Film und wurde mehrfach ausgezeichnet. Die Premiere im Deutschsprachigen Raum feierte «Simshar» anlässlich des Internationalen Filmfestivals Mannheim-Heidelberg, wo Rebecca Cremona den «Special Achievement Award 2015» gewann. Filmexperte Jean Pierre Borg wittert Potential: Trotz der tragischen Geschichte zeigt Cremoas Film auch die schmucken Fischerdörfchen, die Dorffeste und die Feuerwerkstraditionen ihrer Heimat. Auch das könnte neue Touristen nach Malta locken, meint Borg. Stolz erzählt er auf seinen Filmtouren, wer schon alles auf Malta Regie führte. Rebecca Cremonas Name fällt im gleichen Atemzug mit Hollywood-Grössen wie Ridley Scott, Guy Ritchie und Steven Spielberg.