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Warten auf Asyl Tag 4: Der Ausseneinsatz

Von der unterirdischen Asylunterkunft haben wir heute nur wenig gesehen. Den ganzen Tag leisteten wir einen gemeinnützigen Einsatz im Greyerzerland. Dort erlebte ich einige Schwierigkeiten, mit denen unsere Asylsuchenden konfrontiert werden.

Das Wochenende ist vorüber! Das spürt man heute auch in der Asylunterkunft Düdingen. Etliche Mitbewohner stehen mit mir zusammen noch vor sieben Uhr auf – denn auf sie warten Arbeitseinsätze oder Deutschkurse. Als Achtergruppe sind wir heute für gemeinnützige Arbeit in Grandvillard eingeteilt, es gehe um den Abbau von Festzelten, wird mir gesagt. Die Einteilung für diesen Einsatz habe ich vor zwei Tagen mittels einem Zettel erfahren, der mir ausgehändigt wurde. Diese «Marschbefehle» werden von den Asylsuchenden aber durchaus geschätzt. Denn nebst der Abwechslung bekommen sie als symbolischen Tageslohn von der Zentrums-Betreiber-Organisation 40 Franken – ein schöner Zustupf zum Tagessatz von 12 Franken.

Die Fahrt im Kleinbus ist heiter. Sozialarbeiter Ruben fährt und überlässt den Asylsuchenden die Musikauswahl. Mal hören wir afghanische Traditions-Musik, dann wieder deutschen Hip-Hop. Die Vorfreude auf einen Tapetenwechsel ist regelrecht spürbar.

Auf uns ist man nicht vorbereitet

Auf dem Festgelände angekommen, wo in den letzten Tagen offenbar ein grosses Musikfest über die Bühne gegangen ist, treffen wir auf emsiges Treiben. Etliche Helfer sind bereits daran, Tische zu verräumen und die Planen der Festzelte zu entfernen. Etwas überhastet werden uns von den Verantwortlichen unsere uns aufgegebenen Tätigkeiten vorgezeigt. Das Ganze zwar in Französisch, aber durch das Vormachen verstehen alle, was zu tun ist.

Die Helfer tragen alle Handschuhe, für uns hat es aber keine übrig. Sozialarbeiter Ruben geht kurzerhand welche kaufen, weil wir durchaus auch Bretter und Metallstangen mit scharfen Kanten herumtragen. Betreut werden wir von nun an beim Arbeiten praktisch nicht. Die Asylsuchenden möchten gerne mit anpacken, das spüre ich. Aber durch die fehlende Koordination seitens der Organisatoren vor Ort stehen wir doch des des Öfteren einfach herum.

Der Leiter der Abbauarbeiten erklärt beim Znüni, wann und wo es Mittagessen gibt. Das Ganze aber auch wieder nur in Französisch. Meine Mitbewohner haben über die vergangenen Monate teilweise sehr intensiv Deutsch gelernt. Doch jetzt hilft ihnen das auch nicht weiter. Für viele ist diese Erfahrung frustrierend, aber bei einer Unterkunft nahe der Sprachgrenze wohl unausweichlich.

Schweinefleisch und Ramadan

Das Mittagessen wird in einem der grossen Festzelte ausgeschöpft. Es gibt gut schweizerisch Teigwaren, Karotten mit Erbsen und Bratwurst. Auf Nachfrage erfahren die Asylsuchenden, dass es sich dabei um Schweinefleisch handelt. Wegen ihres muslimischen Glaubens für viele tabu. Sie nehmen es gelassen hin und essen stattdessen zum Hauptgang noch Gipfeli, welche vom Znüni übrig geblieben sind.

Abdullah ist der Einzige, der sich gar keinen Teller geholt hat und auch nichts trinkt. Er macht heute einen Tag Ramadan, erzählt er mir. Er müsse noch einen Tag vom Letztjährigen nachholen, den er ausgelassen habe. Warum er sich dafür ausgerechnet den heutigen Arbeitstag an der prallen Sonne ausgesucht hat, ist mir schleierhaft. Er lässt sich aber nichts anmerken und hilft fleissig mit. Sozialarbeiter Ruben schaut derweil darauf, dass Abdullah sich regelmässig im Schatten aufhält.

Es hat sich gelohnt

Trotz der Widrigkeiten ist der heutige Arbeitseinsatz ein Erlebnis. Die Kulisse mit dem Greyerzerland, der Sonnenschein und das Gemeinsamkeitsgefühl der Kollektivarbeit sind wie es scheint nicht nur für mich eine willkommene Abwechslung. Beim gemeinsamen Runterreissen der Zeltplanen wird viel gelacht und Anfeuerungsrufe in Paschtu, Dari (Sprachen aus Afghanistan) und Tigrinya (Eritrea) ausgetauscht.

Die wohl witzigste Situation liefert Osman aus Eritrea, mit welchem ich in den vergangenen Tagen schon viel Zeit verbracht habe. Als plötzlich ein Delta-Segler am knallblauen Himmel über dem Festgelände auftaucht, macht er grosse Augen und fragt: «Was ist das für ein Vogel?». Meine Erklärung, dass es sich dabei um einen Mensch handelt, zweifelt er offensichtlich an. «Ich weiss nicht», sagt er nur und lächelt.

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