Es war ein Erlebnis gestern Abend, das mich definitiv dazu gebracht hat, diesem Thema einen Tages-Blog zu widmen. Wegen der TV-Schalte war ich spät dran mit der Produktion des Blogs und sass auch noch kurz vor 22 Uhr mit Notebook auf der Steintreppe vor unserer Unterkunft, wo ich Handy-Empfang habe.
Der Afghane Karim setzte sich zu mir, blickte mir einige Minuten schweigend bei der Arbeit zu. Dann sagte er: «Du machst fertig, ich koche für Dich» und verschwand. Wenig später wurde ich in der Unterkunft bereits von ihm und weiteren afghanischen Asylsuchenden begrüsst – mit einem riesigen Teller voller Pouletfleisch und Kartoffeln, dazu einem Salatteller, Brot und Cola. Wir sassen im Kreis und bedienten uns mit den Händen, so wie es in Afghanistan üblich ist, wie mir mitgeteilt wurde. Es fühlte sich in diesem Moment an, als wären wir eine grosse Familie. Und ich war ihnen so dankbar, dass ich spätabends noch zu einem solch genialen Mahl gekommen bin.
Das Know-How hat sich entwickelt
Woran ich mich zuallererst gewöhnen musste, ist die spätere Essenszeit. Eigentlich alle meine Mitbewohner, egal ob aus Afghanistan, Somalia, Eritrea oder anderen Nationen, nehmen ihr Nachtessen erst um etwa 22 Uhr ein. Danach schlafen zu gehen, stelle ich mir schwierig vor, denn das Essen schwimmt meist im Öl, liegt also schwer im Magen. In der Regel kocht jemand für eine ganze Gruppe aus einem Ursprungsland und lädt diese dann an den Tisch, wenn alles fertig ist. Es gibt zwar auch Einzelne, die für sich selber kochen und auch alleine essen, sie bilden aber die Ausnahme. Gelernt hätten sie das Küchen-Know-How hier in der Unterkunft, sagen sie mir. Die Rezepte werden unter den Asylsuchenden des Durchgangszentrum, welches immer wieder andere Bewohner hat, weitergegeben. Die Kommunikation funktioniert offensichtlich, denn die Mahlzeiten waren allesamt lecker!
Das Fladenbrot backen die Bewohner selbst und die verwendeten Esswaren werden am allerhäufigsten in einem türkischen Lebensmittelgeschäft in Fribourg gekauft. Mit der Selbstkoch-Lösung scheinen übrigens alle zufrieden zu sein. In der Vergangenheit wurde das Essen hier in Düdingen nämlich auch schon von lokalen Restaurants angeliefert. Das sei aber gar nicht gut gewesen, meinen meine Mitbewohner.
Grosszügigkeit, die tief beeindruckt
Das Erlebnis des spendierten Nachtessens von gestern ist nur eines von vielen ähnlichen in den vergangenen Tagen. Ich wurde diese Woche etliche Male von Somaliern, Eritreern oder Afghanen zum Essen eingeladen. Einmal fragte ich aus journalistischer Neugierde nur rasch nach, was sich denn in einem Kochtopf befände. Da erhielt ich schon die Antwort: «Komm, iss mit uns!». Am Anfang hatte ich noch ein schlechtes Gewissen. Denn ich hatte ja am ersten Tag durchaus Lebensmittel wie Reis, Teigwaren und Gemüse eingekauft. Aber ich merkte, dass eine ablehnende Antwort auf Enttäuschung stösst. Ich lernte auch, dass es nicht klug ist, den Teller bis auf den letzten Krümel leer zu essen, denn sofort reichen meine Mitbewohner ein tellergrosses Stück Fladenbrot nach und erwarten, dass ich auch dieses esse. Dazu scheint es unhöflich zu sein, beim Abwasch mithelfen zu wollen. Entschieden wurde ich jedes Mal in die Schranken gewiesen – Aufräumen hinterher ist offensichtlich klar die Aufgabe desjenigen, der gekocht hat.
Ich bin wirklich tief beeindruckt von der riesigen Grosszügigkeit dieser Menschen, welche selber nicht viel besitzen. Ich erklärte mir diese zuerst damit, dass mich meine Mitbewohner wohl als Gast ansehen, denn ihre Kulturen sind für Gastfreundschaft bekannt. Ein Betreuer, der schon seit Jahren in Düdingen arbeitet erzählte mir aber, dass er auch heute noch immer regelmässig zum Essen eingeladen werde. Die Folge dieser Grosszügigkeit ist, dass ich meine täglich verfügbaren 12 Franken nicht ansatzweise verbraucht habe. Über den Umgang der Asylbewerber mit ihrem Budget schreibe ich dann morgen.
Was heute sonst noch passiert ist:
- Wir haben ein Sportprogramm mit Körperkrafttraining und Fussballturnier absolviert. Geleitet wurde es durch einen versierten Sozialarbeiter in Düdingen. Das hat richtig gut getan!
- Nicht alle Asylunterkünfte kommen zu diesem Glück. Wir profitierten davon, dass unser Sozialarbeiter ausgebildeter Sport-Coach ist.
- Im Rahmen des Sportprogramms besuchten wir die Partner-Asylunterkunft in Bösingen. Diese Leute leben ebenfalls im Bunker, allerdings unter deutlich engeren Platzverhältnissen.
- Nach dem Sport machten wir einen Umweg auf den «Hausberg» von Düdingen, den Rüttihubel. Meine Mitbewohner zeigten sich vor allem von den Pusteblumen beeindruckt.