Lange zögert Jan Opielka nicht: Der polnische TV-Sender TVP betreibe in seinen Nachrichtensendungen Regierungspropaganda, sagt er im Gespräch mit SRF in Warschau. Der polnische Journalist beobachtet die Entwicklung des polnischen Fernsehens seit Jahren – und dies mit zunehmender Sorge. TVP sei zu einem Sprachrohr der nationalkonservativen Regierungspartei PiS verkommen, sagt Opielka.
Zielscheibe Deutschland
Im Ausland gehören deutsche Politiker zu den Lieblingsfeinden von TVP. Wie das aussieht, illustriert Opielka in einem aktuellen Beispiel: Letzte Woche hat die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die polnische Opposition gelobt und damit indirekt Kritik geübt an der Regierung in Warschau. Das polnische Fernsehen zeigte darauf die bekannten Bilder von der unrühmlichen Silvesternacht in Köln von 2015 und kommentierte, die deutsche Regierung solle sich um die Probleme im eigenen Land kümmern. Eine sachliche politische Auseinandersetzung sieht anders aus.
Die deutsche Wochenzeitung «Die Zeit» nahm letzten Sommer die Berichterstattung des polnischen Deutschlandkorrespondenten Cezary Gmyz unter die Lupe. Der prominente Journalist vermittle seinem Fernsehpublikum in Polen ein Bild, wonach in Deutschland ein sicheres Leben kaum mehr möglich sei, bilanziert «Die Zeit». Er zeichne ein Deutschland, das geprägt sei von grassierender Kriminalität und rasch voranschreitender Islamisierung. Das entspricht der Weltsicht der polnischen Regierung. Zu dieser pflegt Gmyz einen guten Draht – ohne daraus ein Geheimnis zu machen.
Regierung macht Personalpolitik bei TVP
Zum Gehilfen der Regierung geworden ist das polnische öffentliche Fernsehen, nachdem die nationalkonservative PiS-Regierung vor zwei Jahren ein neues Mediengesetz installiert hat. Dieses erlaubt der Regierung, die Führungspositionen im Rundfunk nach eigenem Gusto zu besetzen. Jan Opielka sagt gegenüber SRF, seither hätten die meisten regierungskritischen Journalisten das polnische Fernsehen verlassen müssen, oder sie seien freiwillig gegangen.
Die European Broadcasting Union EBU, in der die öffentlich-rechtlichen Sender Europas (auch die SRG) zusammengeschlossen sind, hat die politisch motiverte Personalpolitik im polnischen öffentlichen Fernsehen mehrmals scharf kritisiert. Pluralismus und politische Unabhängigkeit seien die Grundpfeiler des Service Public in einer demokratischen Gesellschaft, schreibt die EBU. Und in einem Gutachten von vergangenem Jahr heisst es, in Polen sei die Medienfreiheit nicht mehr garantiert, weil die Regierung direkten Einfluss nehme auf TVP. Genützt hat die Schelte bisher wenig.
Stiller Protest kommt von den Zuschauern. TVP verzeichnet jüngst einen starken Einbruch der Einschaltquoten. 2016 erreichten die wichtigsten Programme TVP1 und TVP2 zusammen noch einen Marktanteil von etwa 14 Prozent. Das ist der tiefste Wert seit Beginn der Quotenmessungen.