Der Ausdruck «La Grande Nation» ist unter den Franzosen grösstenteils unbekannt. Französische Politiker beschwören zwar Frankreich hin und wieder als «une grande nation», aber der bestimmte Artikel – la – kommt in diesem Zusammenhang nicht vor.
Ein Franzose würde den Ausdruck 'La Grande Nation' niemals in den Mund nehmen. In Frankreich ist er nämlich gar nicht gebräuchlich, er wäre vermutlich sogar deplaziert und lächerlich.
Die exakte Herkunft des Begriffs ist unklar. Deutsche Dichter wie Christoph Martin Wieland und Johann Wolfgang von Goethe verwendeten ihn zum Ausdruck ihrer Bewunderung für die Errungenschaften der französischen Revolution. Spätestens nach der Niederlage Frankreichs im deutsch-französischen Krieg von 1870 bis 1871 erhielt die Benennung dann zunehmend eine negative Konnotation.
Journalisten im deutschsprachigen Raum, vor allem Sportjournalisten, benutzen die Formulierung immer noch gerne, da es als Synonym zur Stilisierung eines Textes dient. (Sie vermeiden damit die Mehrfach-Verwendung des Begriffs «Frankreich».) Jedoch wird mit der Umschreibung noch Einiges beigemischt – über die Landesbezeichnung hinaus.
Das ist in der Regel ironisch bis spöttisch gemeint, als Anspielung darauf, dass das Land in der Illusion vergangener Größe lebe und sich damit selbst eine Bedeutung zuschreibe, die von der Wirklichkeit nicht mehr gedeckt sei.
Die französische Botschaft in Österreich schreibt im April 2011, dass der Gebrauch des Ausdrucks «Grande Nation» im Kontext von Sportkommentaren deplatziert ist und es sich als Anspielung auf die Leistung französischer Athleten schnell um eine Erniedrigung handeln kann.
Mit der bevorstehenden Fussball- Europameisterschaft bietet sich eine optimale Gelegenheit zum Beweis, wer Frankreichkenner ist - und wer nicht. Gerade die Frankophilen unter den Journalisten wissen um die Bedeutung sorgfältiger Pflege der «langue française». Freuen wir uns auf ein Europa im Fussballfieber mit Formenvielfalt ohne Fehler.