Es begann in der Ukraine, genauer auf dem «Majdan». Mit den Massenprotesten im Winter 2013/14 für das Assozierungsabkommen mit der EU, gegen den amtierenden Präsidenten Janukowitsch, dessen Rücktritt, dem Krieg in der Ostukraine, der Annexion der Krim, dem Abschuss eines malaysischen Passagierflugzeugs ... Seither herrscht auch in den sozialen Netzwerken Krieg. Propagandakrieg.
Der Kampf um die Wahrheit
Beiden Seiten geht es angeblich immer um die «Wahrheit» bei Ereignissen, in der Realität aber meist bloss um deren Deutung. Noch immer spielt der Konflikt in der Ukraine eine Hauptrolle, inzwischen auch der Krieg in Syrien. Ein Beispiel der harmlosen Sorte: westliche Medien nannten den Nachfolger des zurückgetretenen Janukowitsch, den Oligarchen Petro Poroschenko, von Beginn weg und fast zärtlich «Schokoladenkönig», russische Medien und mit ihnen die «Putinversteher» strichen dagegen heraus, dass er ebenso Besitzer eines Rüstungsunternehmens war.
Inzwischen sind die Voten immer radikaler und aggressiver geworden, vor allem auf Twitter, Youtube und einzelnen Newsportalen – nicht nur in russischen, sondern ebenso in deutschsprachigen Kanälen. Russlandfreundliche User werden vielerorts als «Putin-Trolle» verunglimpft, die andere Seite beleidigt Russlandkritiker als «Dummschwätzer», «Lügenpresse» oder «Maulhuren», wenn es sich um Journalisten oder Experten handelt.
Heftige Debatten auch bei Schweizer News-Plattformen
Auf News-Seiten – wie srf.ch oder watson.ch – die von den Usern eine Registration verlangen und die Kommentare erst nach Prüfung freischalten, streiten sich die beiden Lager kultivierter, in der Sache aber nicht weniger heftig. Drago Stanic kommentiert viele Beiträge auf SRF News . Zwar glaube er russisch gesteuerten Kanälen wie «Sputnik» kein Wort, sagt er. Trotzdem nennt er sich selber «Putinversteher».
Websites gegen Desinformation
Ungewöhnlich heftig wird die Russland-Debatte jeweils auch beim Newsportal Watson. Legendär ist die Auseinandersetzung um einen Russland-freundlichen Syrien-Beitrag und die Replik darauf vom Dezember 2015. Über 500 Kommentare waren es schliesslich. Das Thema Russland werde jeweils fast ebenso intensiv kommentiert wie «Fleischkonsum» oder «Homosexualität in der Kirche», sagt watson-Chefredaktor Hansi Voigt.
Wer diese Kommentare allenfalls steuert, kann Hansi Voigt nur vermuten. Sicher ist er sich aber, dass Profis dahinter stehen. «Nach der Syrien-Geschichte hatten wir innert einer halben Stunde 25 praktisch gleichlautende positive Kommentare.» Voigt kann sich vorstellen, dass eines der russischen Troll-Büros, wo Autoren zur Verbreitung der Kreml-Ideen beschäftigt sind, hinter der Aktion gestanden hat.