«Wenn ich könnte, würde ich auf der Alp bleiben, bis ich tot umfalle», sagt Maya Lareida. Die 36-Jährige lebt im Bündnerland und arbeitet im Winter bei der kantonalen Steuerverwaltung. Im Sommer zieht sie mit Hund, Katzen und Ziegen auf eine Alp in Graubünden. Dort betreut sie über 200 Kühe anderer Bauern – und findet das, was für sie Leben bedeutet.
Jedes Jahr wartet sie sehnsüchtig auf den Moment, wieder auf die Alp zu ziehen. Kaum oben, beginnt aber schon die Angst, dass der Sommer bald vorbei ist. «Du freust dich das ganze Jahr darauf und sobald es beginnt, werden die Tage schon wieder weniger.»
Allein, aber nicht einsam
Maya liebt die Abgeschiedenheit. Sie sagt, am meisten freue sie sich auf das einfache Leben auf der Alp und «weit weg von den Leuten». Die Einsamkeit mache ihr nichts aus, im Gegenteil. «Je weiter weg der Mensch ist, umso besser geht es mir.»
Tiere spielen in ihrem Leben eine zentrale Rolle. Sie spreche oft mit ihnen, sagt sie lachend. Das geschehe nicht bewusst, sei aber irgendwann einfach passiert. «Normalerweise würde ich sagen, ich bin kein so komischer Mensch, der mit Tieren redet. Aber ich habe gemerkt, dass ich es doch tue.»
Ohne Ausbildung, aber mit Herz
Die Liebe zur Landwirtschaft wurde ihr in die Wiege gelegt. «Meine Eltern wuchsen beide auf Bauernbetrieben auf», erzählt sie. Sie selbst hat aber eine Ausbildung als Kauffrau gemacht – und keine landwirtschaftliche Ausbildung. «Ich habe voll verloren, was Glaubwürdigkeit angeht.»
Sie glaubt dennoch daran, dass ihre Leidenschaft zählt. «Ich habe einfach Freude und weiss, dass ich das möchte.» Der Wunsch nach einem eigenen Betrieb begleitet sie schon lange. «Ich dachte, ich laufe an einen Bauern ran und dann habe ich alles – aber jetzt bin ich 36.»
SRF bi de Lüt – Z'Alp
Ordnung mit Zettel und Vertrauen
Auf der Alp kontrolliert sie die Kühe mit einer Liste. «Ich schreibe die Ohrmarke und den Namens des Bauern und auf und hake sie ab. Einige lachen mich dafür aus – sollen sie.» Das gebe ihr Sicherheit, auch wenn sie sich wünschte, das Gespür für Tiere einfach zu haben.
Vertrauen sei zentral, auch von den Tieren. «Wenn ich rufe, habe ich etwas. Sie nur meinetwegen hier hinaufkommen zu lassen – das darf ich nicht missbrauchen.» Es berühre sie, wenn die Tiere ihr folgen. «Du brüllst ein bisschen rum und der Berg bewegt sich. Geil.»
Ein neues Kapitel: Bäuerin in Brün
Noch während des Alpsommers erfüllt sich ein langgehegter Traum: Maya kann einen Hof im Bündner Oberland übernehmen. Vermittelt hat ein Bauer, dessen Kühe sie hütet.
Statt eines Businessplans habe sie eine Website erstellt – Alpenkalb. Das Konzept: Kunden und Kundinnen wählen ein Kalb, geben ihm einen Namen, besuchen es – und bekommen später Fleisch davon. «Ich bin schon ein bisschen eine Träumerin. In jeder Hinsicht.» Aber sie wisse auch: «Wenn du davon leben willst, kannst du nicht nur ein paar Ziegen und Minipigs halten.»
«Jetzt bin ich zuhause angekommen»
Mit dem Alpabzug endet die Saison. Für Maya ist es immer ein Abschied mit Tränen. «Geweint habe ich gestern schon. Ach, schon seit einer Woche.» Auch wenn unten ihr neuer Betrieb wartet, fällt das Loslassen schwer.
Sie freut sich auf das, was kommt – und hat gleichzeitig Respekt. «Ich meine, dann bin ich selbstständig. Ich war immer angestellt. Angst sollte man nicht haben, aber es ist so.» Dennoch ist sie überzeugt: «Wenn ich eingezogen bin und mein Reich eingerichtet habe, weiss ich: Jetzt bin ich in meinem Zuhause angekommen.»