Jahrelange Kokainsucht, der Suizid seines Vaters, der Preis des Erfolgs: Die neue Netflix-Doku zeigt Haftbefehl, der mit bürgerlichem Namen Aykut Anhan heisst, von seiner verletzlichen Seite. Ein Portrait, das nichts beschönigt – und manchmal kaum auszuhalten ist. Sechs Szenen, die man nicht so schnell vergisst.
1: «Ich lebe noch! Ich lebe noch!»
Es ist 2023 und Haftbefehl spielt ein Konzert im Hallenstadion Zürich. Als er von DJ Frizzo als «lebende Raplegende» auf die Bühne gerufen wird, dreht sich der Rapper fragend um: «Legende sagt man doch nur zu Toten», erwidert er. Als müsse er sich selbst davon überzeugen, ruft er zweimal in sein Mikrofon: «Ich lebe noch! Ich lebe noch!»
2: Xatar über den Preis eines versäumten Lächelns
Auch der mittlerweile verstorbene Rapper Xatar kommt im Film zu Wort. «Der Preis ist sehr hoch. Du musst immer lächeln», so der Rapper über das Showbusiness. Es gäbe keinen Beruf, in dem ein versäumtes Lächeln so viele negative Konsequenzen habe, wie in diesem.
«Weil man nicht immer lächeln kann, kann es sein, dass man es sich irgendwo sonst holt». Eine Anspielung auf Anhans Umgang mit Drogen.
3: Die zerrüttete Beziehung zu seiner Frau Nina Anhan
Ehefrau Nina Anhan äussert sich im Film über die schwierige Ehe mit Haftbefehl. «Den Aykut liebe ich, den Haftbefehl nicht», sagt die 34-Jährige. Haftbefehl habe mit seinem Lebensstil vieles zerstört.
«Ich wünsche mir manchmal mein normales, altes Leben zurück» sagt Nina Anhan unter Tränen. Obwohl die beiden zwei gemeinsame Kinder haben und verheiratet sind, sei sie praktisch alleinerziehend.
4: Kindheitstraumata und Suizidversuch des Vaters
Aufgewachsen ist Anhan in einer Hochhaussiedlung in Offenbach. Besonders eindrücklich sind die Passagen, in denen der Rapper vom Suizidversuch seines Vaters erzählt.
«Ich mach die Tür auf und höre, wie jemand um sein Leben kämpft. Ich sehe meinen Vater, der versucht, sich selbst mit einem Handtuch zu strangulieren. Er schaut mich an, schlägt mich, lacht – und sagt: ‹Willst du deinen Vater retten oder was?›». Den zweiten Versuch konnte Anhan nicht mehr verhindern. Er war 14 Jahre alt, als sein Vater sich das Leben nimmt.
5: Zwangseinweisung in eine geschlossene Anstalt durch den Bruder
Nach einer Kokain-Überdosis, die Anhan knapp überlebt, erkennt sein Bruder Cem, in welcher Gefahr sich der Rapper befindet: «Irgendwann kam der Moment, wo wir gemerkt haben, wenn wir jetzt nichts machen, dann wird er entweder sterben oder er wird beeinträchtigt sein, für den Rest seines Lebens.»
Nach etlichen Versuchen wird Anhan schliesslich durch eine List seines Bruders in eine Klinik in Istanbul zwangseingewiesen. Rückblickend sagt er: «Ich wäre gestorben, wenn ich da nicht hineingegangen wäre.»
6: Aykut veränderte keine einzige Szene
Deutlich wird: Haftbefehl scheut sich nicht, auch die dunkelsten Seiten seines Lebens offenzulegen. Als ihn das Filmteam fragt, warum er keine Szene zensiert habe, sagt er nur: «Warum? Also lügen? Nein, will ich nicht.» Ein Satz, der die Ehrlichkeit dieser Doku auf den Punkt bringt.