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Doping im Radsport Thomas Frischknecht: «Ich wurde verarscht»

Der ehemalige Radprofi spricht heute über den Schmerz, jahrelang gegen gedopte Rivalen verloren zu haben.

Thomas Frischknecht (55) wächst in einer Welt auf, in der das Velo alles ist. Sein Vater Peter Frischknecht zählt in den 70er-Jahren zu den weltbesten Radquerfahrern – ein Vorbild, Mentor und Motivator. Früh wird klar: Auch Thomas will Profi werden. Doch die Rolle als «Frischknecht Nr. 2» engt ihn ein.

In den USA entdeckt er das Mountainbike – wild, neu, rebellisch wie er selbst. Dort beginnt seine eigene Erfolgsgeschichte: Olympia-Silber 1996, WM-Gold 2003 und zahlreiche weitere Medaillen machen ihn zum Pionier des Mountainbikes in der Schweiz.

Als Mountainbike olympisch wird

Atlanta, 1996: Mountainbiken war erstmals bei den Olympischen Spielen. Das Rennen bringt den Durchbruch für den ganzen Sport. «Olympia brachte sehr viel Positives. Die Leute fanden plötzlich, es sei cool zum Zuschauen. Das war der Moment, in dem Mountainbike aus der Nische trat», erinnert sich Frischknecht.

Doch mit dem neuen Ruhm kommt auch ein Schatten. Immer mehr Strassenprofis drängen in den Sport. SRF-Kommentator Marco Felder erklärt: «Plötzlich haben die Strassenfahrer gemerkt, dort gibt es auch etwas zu gewinnen, etwas zu verdienen – viele brachten leider das Dopingmittel Epo (Erythropoetin) mit.» Wie zum Beispiel Festina-Mitglied Jérôme Chiotti.

Frischknecht spürt, dass sich etwas verändert. «Epo stellte den ganzen Strassenrennsport auf den Kopf. Ich wusste, wie fit ich war, und ich wusste auch, dass etwas nicht stimmt.»

Vom ersten zum zweiten Platz

Ab 1997 kippt alles. «Ich hatte plötzlich keine Chance mehr gegen den Rest des Feldes», sagt Frischknecht. «Ich dachte, die, die betrügen, werden sicher erwischt. Aber nichts passierte.» Seine Gegner fahren ihm davon – mit Hilfe des neuen Wundermittels Epo, das die Ausdauer vervielfacht.

Radsport heute – eine Einschätzung von SRF-Experte Marco Felder:

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Ein Mann in Anzug, mit braunen Haaren und einer hellblauen Brille posiert für ein Bild.
Legende: Marco Felder ist seit 2016 bei SRF Rad-Kommentator. SRF/Oscar Alessio

«Es war eine ganz traurige Epoche. Doping war flächendeckend, aber genau deshalb ist der Radsport heute einer der saubersten überhaupt. Blutpass und engmaschige Tests machen Dopingsündern heute das Leben extrem schwer. Natürlich gibt es keine hundertprozentige Sicherheit – aber die Fahrer von heute gehören zu den am strengsten kontrollierten Athleten der Welt. Ich habe die Hoffnung und das Gefühl, dass der Sport zum allergrössten Teil sauber ist, ohne es wirklich zu wissen.»

Marco Felder ergänzt: «Von einem Tag auf den anderen hattest du keine Chance mehr. Obwohl du gleich trainierst, fahren dich andere einfach in Grund und Boden. Und irgendwann wirst du selbst unter Verdacht gestellt.»

Für Frischknecht ist das kaum zu ertragen. «Meine Nachbarin kam zu mir und fragte, ob ich auch dope. Fuck. Ich musste gegen Leute antreten, die mich verarscht haben.» Seine Stimme bricht, wenn er davon erzählt. «Ich habe wirklich gelitten. Die ganze Epo-Epoche dauerte etwa fünf Jahre.» Nur bei Regenrennen kann er mithalten – dort, wo seine Technik zählt, nicht der Hämatokritwert.

«Es gab Teams, die Doping regelrecht angeordnet haben. Wer nicht mitmachte, flog raus. Für saubere Athleten wie Frischknecht war das eine hoffnungslose Zeit», so Felder.

Späte Gerechtigkeit fühlt sich leer an

Das Rennen, das ihn bis heute verfolgt, ist die WM 1996. Jérôme Chiotti, der damals vor ihm siegt, ruft ihn Jahre später an – mit einem Geständnis. «Er sagte: ‹Wenn einer das WM-Trikot und die Goldmedaille verdient hatte, bist es du. Du warst einer der Einzigen, die sauber gefahren sind.›»

Offiziell gilt Frischknecht heute als Weltmeister von 1996. Doch die späte Gerechtigkeit fühlt sich leer an. «Ich fuhr nicht als Erster über die Ziellinie. Ich habe die Siegerehrung nicht als Weltmeister erlebt. Mir wurde verwehrt, ein Jahr lang das Regenbogen-Trikot des Weltmeisters zu tragen. Und vom Finanziellen sprechen wir gar nicht.»

Felder weiss, was das bedeutet: «Das ist das Tragische. Wenn du um den Sieg kämpfst, geht es nicht nur um eine Medaille. Es geht um Emotionen, um Stolz, um diesen Moment, in dem alles zusammenkommt. Und das wurde ihm genommen.»

SRF 1, Champion der Champions, 25.10.2025, 20:15 Uhr ; 

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