In der Schweiz reicht die Anzahl Therapieplätzen nicht, um den Bedarf abzudecken. Und das, obwohl der Zugang zu einer Psychotherapie seit dem 1. Juli 2023 schneller und einfacher sein solle: Seither müssen Psychotherapeuten nicht mehr bei einer Ärztin angestellt sein, um die Stunden über die Grundversicherung abzurechnen.
2021 wurde geschätzt, dass 27 Prozent der Schweizer Bevölkerung, also fast zwei Millionen Menschen, an einer psychischen Erkrankung litten und eine Behandlung bräuchten. Lediglich ein Drittel erhalte Hilfe, schreibt die Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen FSP.
Psychologin Stephanie Karrer erklärt sich diesen Engpass so: «Es gibt nicht genug Menschen, die eine Psychotherapieausbildung machen. Dafür braucht es vorher ein Studium – es ist ein teurer Werdegang, der viel Commitment beansprucht.»
Die, die doch einen Therapieplatz bekommen, warten oft Wochen oder sogar monatelang darauf. Die folgende Checkliste der Psychologin kann helfen, die Wartezeit zu überbrücken.
1. Selbsthilfegruppen in der Nähe besuchen
Informiere dich und frage deine Hausärztin oder deinen Hausarzt, ob sie dir bei der Suche nach einer Selbsthilfegruppe unterstützen können. Denn der Austausch in einer Selbsthilfegruppe kann Sicherheit geben und stabilisieren. Da die meisten Gruppen einen Fokus haben, zum Beispiel für Leute mit Zwängen, gibt es dort Menschen, die vielleicht schon einen Schritt weiter sind in der Behandlung und Fragen aus einer anderen Perspektive beantworten können.
2. Digitale Begleiter
Sie ersetzen auf keinen Fall eine Therapie, aber können in gewissen Situationen helfen. Da die Hemmschwelle eine App herunterzuladen, niedrig ist und man sie auch im Bett benutzen kann, bieten sie für Menschen mit leichten Symptomen Halt und Unterstützung.
In Deutschland ist zum Beispiel die Mental-Health-App «Selfapy» als Medizinprodukt klassifiziert . Sie soll gegen Depression, Angst und Panikstörungen helfen. In der App «Somnio» geht es um Schlafstörungen, die bei psychischen Erkrankungen auftreten können. «Wie geht’s dir?» wird unter anderen von der Stiftung Pro Mente Sana und vielen Schweizer Kantonen unterstützt.
3. Telefonangebote
In der Schweiz gibt es verschiedene Telefonangebote mit geschulten Freiwilligen, die ein offenes Ohr haben. Diese sind kostenlos, vertraulich und können kurzfristig entlasten.
- Die Dargebotene Hand: www.143.ch
- Pro Juventute Beratung und Hilfe 147 für Kinder und Jugendliche: www.147.ch und über Whatsapp .
- Reden kann retten: www.reden-kann-retten.ch
- Für Hinterbliebene: www.trauernetz.ch
- Plattform für psychische Gesundheit: www.dureschnufe.ch
4. Tagebuch schreiben
Studien haben gezeigt, dass es für den Therapieeinstieg hilfreich sein kann, wenn man sich in der Wartezeit vorbereitet. Ein Tagebuch kann Erleichterung schaffen und zeigt vielleicht gewisse Muster auf. «Journaling» ist vielleicht ein Trend, aber der Akt des Schreibens ist nichts Neues.
Wichtig: Nicht zu tief in die Verletzung hereingehen beim Schreiben. Man soll vorsichtig mit schmerzhaften Stellen umgehen, weil es hier jemanden benötigt, der einen auffängt und hilft. Eine psychotherapeutische Begleitung weiss, wie man diesen Schmerz weglegen kann, damit mit man nicht davon überrollt wird.
5. Entspannungstechniken
Was ohnehin immer guttut, sind Entspannungstechniken. Atemübungen, Schütteln oder progressive Muskelentspannung können sehr wohltun. Auch diese Übungen können in gewissen Stresssituationen sinnvoll sein.