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Von Irland in die Schweiz Mutter trifft Tochter zum ersten Mal nach 38 Jahren

Das katholische Irland erlaubte es ihr nicht anders: Mary musste ihre Tochter zur Adoption freigeben.

Catherine ist in der Schweiz aufgewachsen. Bei Adoptiveltern. Dass ihre leibliche Mutter aus Irland stammt, weiss Catherine. Doch wer ihre Mutter ist und warum sie nicht bei ihr aufwachsen durfte, sind Fragen, die bisher unbeantwortet geblieben sind.

Eine Frau mit kurzen blonden Haaren und neben ihr sitzt eine jüngere Frau mit dunklen Haaren.
Legende: Catherine als Teenager (r.) und ihre Adoptivmutter Therese (l.). zVg

Catherines Mann Michél hat der Redaktion von «Happy Day» einen Brief geschrieben und gebeten, Antworten auf die Fragen, die seine Frau so lange schon beschäftigen, zu finden.

Die Unterlagen führen nach Dundalk

Es ist selten, dass die Redaktion von «Happy Day», so viele Unterlagen bekommt von den Adoptivkindern und Eltern. In diesem Fall hatten sie sogar den Namen und das Geburtsdatum der leiblichen Mutter in den Unterlagen gefunden. Somit machten sie sich auf die Suche nach Mutter Mary.

Etwa 60 Kilometer nördlich von Dublin liegt Dundalk. Dort kam Catherine zur Welt. Weil Mary noch den gleichen Nachnamen hat, konnte man sie mithilfe von Kontakten in der Gegend finden. Zwei Wochen, nachdem die Redaktion einen Brief an sie geschickt hatte, kam eine Antwort. Mary möchte mehr über ihre Tochter erfahren. Dass ihre Tochter im Wallis aufgewachsen ist, verheiratet und ein Kind hat, erfährt Mary erst später.

Irland in den 1980er-Jahren

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Das Bundesamt für Statistik (BFS) in Irland schreibt, dass sich 1981 fast 90 Prozent der Iren als katholisch bezeichnet hatten. Zwei Jahre später, im Jahr 1983, stimmte das irische Volk einem der strengsten Abtreibungsverbote in Westeuropa zu. Somit wurde das Leben des Ungeborenen mit demjenigen der Mutter gleichgesetzt. Erst 1992 durften Frauen ins Ausland reisen für eine Abtreibung, davor war es verboten.

Nicole Freudiger, Religionsredaktorin bei SRF, erklärt: «Die Republik Irland war lange geprägt von einem sehr traditionellen Katholizismus. Und in der traditionell-katholischen Sexualmoral gilt: Sex gibt’s nur in der Ehe und nur zum Zweck, Kinder zu bekommen. Verhütung ist dabei nicht vorgesehen, und auch die Abtreibung ist verpönt.»

Ausser Marys Mutter wusste niemand von dem Kind

Es war eine schlimme Zeit für Mary. Die 18-Jährige war gerade erst fertig mit der Schule und hatte keine Arbeit, als sie schwanger wurde. Als sie ihrer Mutter davon erzählte, sagte sie nur: «Nein.» Mary dachte, diese Reaktion habe wahrscheinlich damit zu tun, dass ihr Vater früh verstarb und ihre Mutter jung alleinerziehend war. Mary sah ein, dass es unmöglich wäre, sich alleine um das Kind zu kümmern.

Mary erzählte nur ihrer Mutter von der Schwangerschaft und versteckte sich monatelang zu Hause. Für die Geburt fuhren sie in ein anderes Dorf, sodass niemand von ihrem Umfeld davon erfahren könnte: «Sie wollte nicht, dass ich Schande über die Familie bringe. So war das damals.»

«Happy Day» auf Play SRF

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Bis vor ein paar Monaten – 38 Jahre später – sprach Mary mit niemandem über ihre Tochter.

Adoptivkind Catherine wächst im Wallis auf

Als Catherine sechs Wochen alt war, adoptierten sie Therese und ihr Mann. Auch die Adoptivmutter stammt ursprünglich aus Irland, lebte aber schon länger in der Schweiz. Die Adoptiveltern machten nie ein Geheimnis aus der Adoption und dachten, es könnte Catherine guttun, nach ihrer leiblichen Mutter zu suchen.

Heute ist Catherine 38 Jahre alt und hat selbst eine Tochter. Als sie erfährt, dass ihre leibliche Mutter gefunden wurde, ist sie zuerst schockiert. «Ich wusste nicht, ob sie noch lebt und ob es ihr gut geht», sagt Catherine. Mary erzählt, dass sie an ihrem Geburtstag besonders intensiv an Catherine denken müsse. Das überrascht Catherine: «Ich hätte nicht gedacht, dass sie traurig war, als sie mich weggab. Aber ich sehe jetzt, dass es nicht einfach war für sie.»

Catherine und Mary lernen sich endlich kennen. Mary macht kein Geheimnis mehr aus ihrer Tochter und erzählt bei der Rückkehr in Irland all ihren Freunden und Bekannten von Catherine und ihrer neuen Familie in der Schweiz. «Jetzt kann ich mit alldem abschliessen und ein neues Leben beginnen», so Mary.

Das erste Treffen zwischen Mary und Catherine

SRF 1, Happy Day, 6.4.2024, 20:05 Uhr ; 

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