2014 sprach in Sotschi (RUS) nach dem Olympia-Wettkampf in der Halfpipe alles über den «Yolo-Flip» des Schweizer Olympiasiegers Youri Podladtchikov. Seither ging die Kreation neuer und immer anspruchsvollerer Tricks in der Königsdisziplin des Freestyle-Snowboards unvermindert weiter. Den jüngsten Griff in die wortwörtliche Trickkiste nahm Halfpipe-Bronzegewinner Jan Scherrer vor, sein «Jan Tonic» ist als neuester Trick in aller Munde.
Rotation gegen die Talrichtung
Der vom 27-Jährigen eigens kreierte «Switch Alley-Oop Double Rodeo 1080 Indy to Nose» gehört zu den gegenwärtig technisch anspruchsvollsten Tricks. Scherrer hatte den Sprung in der Vorbereitung auf die Saison 2020 erstmals gestanden. Doch was macht dieses Manöver so komplex?
Während des gesamten Sprungs siehst du die Landung nicht.
Der Teilzeit-Wirtschaftsstudent erklärte im SRF-Studio, dass die Schwierigkeit bereits bei der Anfahrt zum Absprung beginne: «Weil man aufwärts dreht, kann es dich schon bei der Anfahrt zum Sprung ‹verdrücken›, wodurch es sehr schwierig wird, genau am richtigen Ort zu landen.» Der Sprung gegen die Talrichtung braucht ein filigranes Körpergefühl, denn ein blinder Fleck lässt sich beim Sprung nicht vermeiden. «Während des gesamten Sprungs siehst du die Landung nicht», so Scherrer.
Scherrer weiss, wovon er sprach. Im vergangenen Jahr noch sei er beim Versuch des Tricks immer wieder gestürzt. Entsprechend zufrieden zeigte er sich über die just am Grossanlass erfolgreiche Landung. Die Frage, ob er den Trick exakt auf Olympia geplant hatte, verneinte Scherrer lachend: «Nein, ich hätte ihn schon gerne an der WM ausgepackt.»
Der Coach kennt Scherrer bestens
Snowboard-Nationaltrainer Pepe Regazzi war schon vor dem Wettkampf in China bewusst gewesen, dass Scherrer das Zeug hat, aus seiner Karriere eine Bilderbuch-Geschichte zu machen. «Er ist physisch, akrobatisch und technisch top. Er weiss genau, was er zu tun hat. Er ist ‹in the zone›, bei ihm stimmt alles», lobte Regazzi seinen Schützling.
Er checkt sofort, worum es geht.
Als langjähriger Förderer Scherrers weiss Regazzi: «Ich kann mit ihm sehr gut arbeiten. Man muss nicht viel mit ihm besprechen. Er checkt sofort, worum es geht. Es ist perfekt, mit ihm zusammenzuarbeiten.»
Eine Medaille mit Ansage
Scherrer konnte sich beim Gewinn der Bronzemedaille sowohl auf sein eigenes Repertoire als auch auf ein Quäntchen Wettkampfglück verlassen – zahlreiche Konkurrenten begingen am Tag X Fehler. Der Toggenburger hingegen zeigte bereits in der Vergangenheit – auch ohne «Jan Tonic» –, dass er zur absoluten Weltspitze in der Pipe gehört:
- 2018 feiert er an der diesjährigen Olympia-Wettkampfstätte seinen 1. Weltcup-Sieg.
- 2020 wird er an den prestigeträchtigen X-Games in Aspen Dritter.
- Sensationelle 95,16 Punkte reichen ihm nur einen Monat später zum 2. Rang bei den US Open in Vail.
Behält Scherrer die Freude am Spitzensport und bleibt er unverletzt, dürfte sich die Snowboard-Szene auch künftig an den Sprüngen des 27-Jährigen erfreuen – auch Snowboard-Legende Shaun White hatte erst mit 35 Jahren genug vom Profisport.