Nach dem Wirbel um die Doping-Vorwürfe gegen Russlands Eiskunstläuferin Kamila Waljewa wartet die Sportwelt gebannt auf eine Entscheidung des Internationalen Sportgerichtshof TAS. Bis zum endgültigen Urteil wird es laut Ernst König, Direktor von Swiss Sport Integrity (ehemals Antidoping Schweiz), hingegen länger dauern.
Die Russin war Ende Dezember 2021 bei den nationalen Titelkämpfen in St. Petersburg positiv auf die verbotene Substanz Trimetazidin getestet worden. Das dazugehörige rezeptpflichtige Medikament wird zur Behandlung von anfallsartig auftretenden Schmerzen hinter dem Brustbein angewendet. «Es erhöht die Transportkapazität von Sauerstoff im Körper – und damit die Ausdauer», so König.
Ein Rückzieher mit Kalkül?
Nach Eingang des Befunds am Dienstag suspendierte die russische Anti-Doping-Agentur Rusada seine Athletin, die ihr Team in Peking noch am Vortag zur Goldmedaille geführt hatte. Am Donnerstag hob die russische Disziplinarkammer die Sperre nach Einsprache Waljewas bereits wieder auf; die Argumentationsgrundlage dafür ist unbekannt. Daraufhin schaltete sich das IOC ein und rief das unabhängige Schiedsgericht TAS auf den Plan.
Ein unmittelbarer Entscheid ist insofern relevant, da es für die 15-Jährige um einen Start im Einzel-Wettbewerb geht. Aus russischer Sicht kommt die positive Probe – eineinhalb Monate nach ihrer Entnahme – damit zur Unzeit. Dabei ist es laut König «durchaus üblich», dass eine Untersuchung aufgrund ihrer aufwendigen Analytik bis zum Resultat eine solche Zeitspanne beanspruche.
Ordentliches Verfahren folgt
So kurzfristig über den kompletten Tatbestand zu entscheiden, sei laut König für das TAS unmöglich. «Es wird nur geprüft werden, ob die provisorische Sperre rechtmässig war und Waljewa damit ein Start im Einzel-Wettkampf verwehrt bleibt», so König. Das folgende ordentliche Verfahren dürfte sich hingegen über mehrere Monate erstrecken.
Ein Urteil wäre für den Direktor von Swiss Sport Integrity derzeit deshalb «reine Spekulation». König lässt jedoch durchblicken: «Es dürfte zur Herausforderung werden zu begründen, warum eine Substanz im Körper einer 15-Jährigen gefunden wird, die eine Krankheit von tendenziell älteren Menschen therapiert.»
Unabhängig davon, ob das Wunderkind in Peking erneut antreten darf, verliert der russische Sport durch diesen Vorfall weiter an Glaubwürdigkeit. Schliesslich geht die russische Delegation wegen des staatlich organisierten Dopingbetrugs 2014 in Sotschi wie bereits in Tokio unter neutraler Flagge an den Start. Das weiss auch König: «Nun gilt es die Umstände zu klären. Hat Waljewa aus Eigeninitiative gehandelt oder betreibt Russland weiter systematisches Doping.»