Eine der weltbesten Allrounderinnen, die schon 2018 Olympiasiegerin wurde, gewinnt die Kombination in Peking – auf den ersten Blick keine Überraschung. Dass ein «Mega-Kraftakt» dahintersteckte, verriet Michelle Gisin nach dem Rennen.
«Es waren drei sehr schwierige Tage für mich», so die 28-Jährige. Hintergrund war der Entscheid des Trainerteams, sie in der Spezialabfahrt nicht starten zu lassen. Oder vielmehr: «Es war eine Enttäuschung, wie kommuniziert und mit mir umgegangen wurde», kritisierte Gisin.
Odermatts vergebliche Warnung
Dies richte sich keinesfalls gegen Joana Hählen, die den Startplatz verdient und es «super gemacht» habe, präzisierte die Engelbergerin. Wieder auf die Beine gekommen sei sie dank ihrem «fantastischen Umfeld» und ihrem Mentalcoach, dem sie ein «riesiges Kränzchen» winde.
Die Kombi-Abfahrt gelang Gisin dann auch nicht nach Wunsch: «Im Ziel dachte ich, ich hätte es verspielt.» Sie habe ausgerechnet in einer Kurve etwas versucht, vor der Marco Odermatt sie gewarnt habe. «Dann dachte ich, jetzt muss ich den Slalomlauf meines Lebens auspacken. Unfassbar, dass mir das gelungen ist.»
Holdener: «Bin nicht ‹all in› gegangen»
Gemischte Gefühle herrschten bei Silbergewinnerin Wendy Holdener vor. Zum einen war da die Freude über Edelmetall, zum anderen trauerte sie der verpassten Chance auf Gold nach.
«Ich hatte nicht die gewohnte Lockerheit.» Am Start von Mikaela Shiffrins Out zu erfahren, habe sie offenbar etwas gehemmt. «Zwar wollte ich Vollgas geben, irgendwie bin ich aber nicht ganz ‹all in› gegangen.» Dabei hatte sie mit einer guten Abfahrtsleistung vorgelegt: «Ich bin froh, dass ich nach den Abfahrtstrainings (5,02 und 3,38 Sek. Rückstand, Red.) nicht aufgegeben habe. Daran habe ich Freude und das nehme ich mit.»
Gisin/Holdener: 3. Doppelpodest
Für Gisin und Holdener war es bereits der 3. gemeinsame Podestauftritt in der Kombination an einem Grossanlass (nach der WM 2017 und Olympia 2018). Holdener rückt zudem in einen exklusiven Zirkel auf: 5 Schweizer Olympia-Medaillen an Winterspielen holten vor ihr erst Vreni Schneider und der Bobfahrer Fritz Feierabend.
Shiffrin ratlos und leer
Weiterhin ohne Medaille bleibt Mikaela Shiffrin, der in Peking Mehrfach-Gold zugetraut worden war. Für ihr jüngstes Scheitern fand die amerikanische Ausnahmekönnerin keine Erklärung: «Ich habe im Slalom für einmal die Intensität etwas gesenkt, wollte nicht 110 Prozent geben. Beim Start war ich ruhig. Dann explodierte etwas und ich war draussen, ohne dass ich etwas tun konnte.»
Sie verstehe das Ganze nicht und habe derzeit nicht einmal genügend Emotionen, um sich darüber zu ärgern. Von den Resultaten her seien diese Spiele für sie frustrierend. «Aber ich hatte in meiner Karriere einen grossen Anteil an triumphalen Momenten. Wenn diese Enttäuschung das Schlimmste ist, das mir von jetzt an widerfährt, dann ist das schon ok.»