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Bei Olympia in Paris dabei Flüchtling Suliman: Vom Tellerwäscher zur Leichtathletik-Rakete

Seine bewegte Geschichte hat den in Bern wohnhaften Flüchtling Musa Suliman bis nach Olympia gebracht. Am Mittwoch kommt's im 800-m-Vorlauf zum grossen Auftritt.

Ein verfrühtes Erscheinen im Fussballtraining hat Musa Suliman auf die richtige «Bahn» gebracht. In seinem Fall buchstäblich: Der gebürtige Sudanese drehte auf der Wankdorf-Leichtathletikanlage für sich ein paar Runden, wurde von einer Gruppe «Profis» überholt und zog sofort mit.

«Dann haben sie mich gefragt, ob ich bei ihnen mitmachen wolle», erzählt Suliman heute stolz. Franco Noti, selber langjähriger Mitteldistanzläufer, nahm den Flüchtling unter seine Fittiche. Und das, obwohl Suliman ihm erst noch aus Versehen die falsche Handynummer gegeben habe. «Heute ist er mein bester Freund in der Schweiz und für mich wie ein Bruder.»

Suliman wechselte vom Fussballklub Länggasse Bern in den STB Leichtathletik. Seinen ersten 400-m-Lauf lief er in weniger als 53 Sekunden – und schlug sogleich die gesamte Konkurrenz. «Dies, obwohl ich beim Start etwas geschlafen habe», so der 20-Jährige.

Prekäre Arbeitsbedingungen im Restaurant

Suliman hat – wie wohl jeder Flüchtling – keine einfache Kindheit hinter sich. In seinem Geburtsland Sudan litten er und seine Familie unter dem Darfur-Konflikt. «Es war ein grosser Krieg und viele Leute sind gestorben», blickt er heute zurück.

Ich durfte Gemüse schneiden oder Teller waschen, aber kellnern durfte ich aufgrund meiner Hautfarbe nicht.
Autor: Musa Suliman

Mit 9 Jahren floh er mit seiner Familie nach Kairo in Ägypten. «Wir hatten jede Nacht Angst, dass uns etwas passiert.» Weil der Vater die Familie nicht mehr selber ernähren konnte, musste Suliman in Ägypten schon früh in verschiedenen Unternehmen arbeiten gehen. «Ich habe Metall transportiert oder im Restaurant gearbeitet.»

Auch mit Rassismus kam er oft in Kontakt. «Ich durfte Gemüse schneiden oder Teller waschen, aber kellnern durfte ich aufgrund meiner Hautfarbe nicht.» Er und sein Vater seien auch häufig auf der Strasse angepöbelt worden. «Was soll man da machen? Wir haben uns einfach umgedreht und sind weitergelaufen», so Suliman.

2021 flüchtete er von Kairo in die Schweiz und wurde aufgenommen. Die ersten eineinhalb Jahren seien schwierig gewesen. «Eine neue Kultur, eine neue Sprache, mit schwierigen Buchstaben. Als ich dann Deutsch gelernt habe, wurde es einfacher.»

Mit Ex-Profi Gasser nach Paris

Heute ist Suliman voll integriert, hat Freunde und ein Umfeld in Bern. Und nur drei Jahre nach seinen ersten Schritten in der Leichtathletik darf er bereits an die Olympischen Spiele. In Paris tritt er für das olympische Flüchtlingsteam über die 800 m an. Am Mittwochmittag geht's im Stade de France im Vorlauf um die erste Chance auf den Halbfinal-Vorstoss.

Gecoacht wird Suliman von der ehemaligen Schweizer Spitzenleichtathletin Sandra Gasser. «Sie hilft mir in allen Belangen und vermittelt mir auch die Freude am Laufen», schwärmt der Flüchtling.

Für Paris setzt sich Suliman kein konkretes Ziel. «Das Niveau ist natürlich sehr hoch. Ich werde aber mein Bestes geben.» Und er meint bescheiden: «Ich bin eigentlich mit allem zufrieden.»

SRF zwei, Sportflash, 21.07.2024 19:50 Uhr ; 

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