Mit geübten Fingern schnippt Shunsuke Togami den kleinen Kunststoff-Ball über den Tisch, lässt ihn Pirouetten drehen und mit Spinn umhertanzen. Dann wirft der japanische Tischtennis-Meister der letzten zwei Jahre den Ball in einen Eimer mit der Aufschrift «Rejected Balls», abgelehnte Bälle.
Dieses Prozedere wird aktuell an den Olympischen Spielen in Paris täglich mehrfach durchgeführt. Doch normalerweise gibt es keinen Einblick in die sogenannte «Ball Selection». Mir wurde dieser gewährt – dank einer Neuheit, die das Internationale Olympische Komitee (IOC) auf die diesjährigen Spiele hin eingeführt hat: «Influencer Positions.»
Als akkreditierter Journalist kann man sich bei fast allen Venues für solche Positionen anmelden. An ausgewählten Orten darf man dann – ganz der Influencer – mit dem Handy für meist etwa 10 Minuten filmen.
Die «Eier» werden aussortiert
Die «Ball Selection» gehört wie bei jedem Tischtennis-Grossanlass auch im Olympia-Rahmen in der Pariser «Süd Arena» zum Standardprogramm vor jedem Match. Insgesamt 15 Bälle müssen die Spieler auswählen und somit offiziell für das anstehende Spiel durchwinken.
«Die Athleten haben ein sehr feines Gefühl dafür, ob die Bälle wirklich rund sind», erklärt mir Kerstin Duchatz im Anschluss. Die Deutsche, ihres Zeichens amtierende Weltschiedsrichterin im Tischtennis, steht in Paris im Einsatz. «Wenn sie die Bälle so schnell andrehen, sieht man leicht, ob sie ‹eiern› und dadurch nicht den Standards genügen.»
Der Japaner Togami hat seine Auswahl getroffen und begibt sich zum Aufwärmen vor seinem Zweitrunden-Spiel gegen Deni Kozul aus Slowenien in die Arena.
Aller Anfang ist schwer
Weil meine Zeit auf der «Influencer Position» abgelaufen ist, muss auch ich unter den strengen Blicken mehrerer Sicherheitsleute den Bereich «hinter den Kulissen» wieder verlassen. Ein Volunteer geleitet mich bestimmt.
Die verantwortlichen Helfer sind generell freundlich und hilfsbereit. Allerdings ist die Info über das neue Angebot noch nicht zu allen durchgedrungen – dementsprechend schwierig hat sich im Vorfeld meine Suche nach dem zusätzlichen Überzieher, der mir die nötige Berechtigung gibt, gestaltet.
Immerhin: Auf der Pressetribüne finde ich noch einen Platz und kann mir die Partie von Togami in aller Ruhe anschauen – wobei die Stimmung im ausverkauften Hexenkessel generell wenig mit «Ruhe» zu tun hat. Der Japaner lässt sich tragen und gewinnt die Partie mit 4:2-Sätzen. Und kann konstatieren: Bälle souverän ausgewählt.