Mujinga Kambundji und die 4x100-m-Staffel – es ist eine Geschichte mit so vielen wie vielfältigen Kapiteln. Überstrahlt wird diese freilich von den nationalen Rekorden: So war Kambundji 2011 Bestandteil der schnellsten Schweizer Sprint-Equipe. Die Bahnrunde wurde in 43,90 Sekunden absolviert. Diesen Bestwert knackte die Bernerin 10 Jahre später an der Seite von Riccarda Dietsche, Ajla Del Ponte und Salomé Kora ein weiteres und bislang letztes Mal: 42,05 s brauchte die Staffel in Tokio im Vorlauf.
Doch Kambundjis Staffel-Story hatte auch weniger erfreuliche Abschnitte. Etwa dieser ständige Gewinn von «Leder», dieser verflixte 4. Rang: an den Olympischen Spielen in Tokio, an den Weltmeisterschaften 2019 in Doha und den Europameisterschaften in Berlin von 2018. Und besonders bitter, als Kambundji 2014 bei der Heim-EM im Letzigrund als Startläuferin der Stab entglitt.
Zuletzt musste die 32-Jährige immer wieder auf Teilnahmen im Team verzichten – häufig waren Verletzungen schuld. In Paris kann die Staffel mit Kora, Géraldine Frey und Sarah Atcho-Jaquier nun wieder auf die schnellste Schweizerin der Geschichte zählen und mit ihr das nächste Kapitel schreiben.
Es ist cool und hilfreich, dass Mujinga in die Staffel kommt. Das wird einen Extraschub geben.
Es sei «cool und hilfreich, dass Mujinga in die Staffel kommt. Das wird einen Extraschub geben», ist sich Kora sicher. Dass damit Änderungen in den Wechsel einhergehen, sieht die Ostschweizerin nicht als Problem: «Sie ist sehr gut in den Wechseln und war das auch immer in der Vergangenheit.» Dass aus der bestmöglichen Besetzung auch grosse Ambitionen erwachsen, will Kora nicht verhehlen: «Der Medaillen-Traum lebt immer.» Sie orte auch das Potenzial für einen Schweizer Rekord.
Der Final liegt definitiv drin. Und dann kann alles passieren
Für die 30-Jährige geht es auch darum, der Enttäuschung über das vorzeitige Einzel-Aus im 100-m-Vorlauf gegenzusteuern. «Mir blieb nichts anderes übrig, als das wegzuschieben», erklärt Kora. Die Aufarbeitung nehme sie dann nach den Spielen vor. In derselben Situation befindet sich Staffel-Kollegin Frey. Sie habe die Niederlage verdaut und blicke nun wie Kora nach vorne. Wenngleich mit einer weniger forschen Zielvorgabe. «Zu sagen, wir holen eine Medaille, wäre zu hochgesteckt. Doch der Final liegt definitiv drin. Und dann kann alles passieren», so Frey.
Wie viel passieren kann, musste die Schweiz vor kurzem an der EM in Rom erfahren: Mit der Medaille vor Augen wurde Atcho-Jaquier von der niederländischen Schlussläuferin noch überholt. Zudem liess sie den Stab kurz vor der Ziellinie fallen. Bittere Tränen waren die Folge.
Diesmal sollen es ausschliesslich Freudentränen sein, die den Schweizer Sprinterinnen über die Wangen kullern. Nicht zuletzt dank dem Kambundji-Boost.