Wer die Ehre hat, an Olympischen Spielen teilzunehmen, braucht in der Regel keine zusätzliche Motivation, um sich zu Top-Leistungen antreiben zu lassen. Doch für Annik Kälin brächte eine Medaille ein ganz besonderes «Zückerli» mit sich: Der HC Prättigau-Herrschaft versprach der Leichtathletin aus Grüsch, im Edelmetall-Fall die Eishalle in «Annik Arena» umzubenennen.
Zuzutrauen ist der 24-Jährigen einiges. Der Formaufbau auf die Olympischen Spiele hin klappte nach Mass, Knieprobleme, die Kälin im Frühling noch ausbremsten, gehören seit der EM in Rom der Vergangenheit an. «Anfang Jahr vorsichtig zu sein, hat sich gelohnt», erzählt sie kurz nach ihrer Anreise in Paris. Kälin hat sich im Siebenkampf weltweit in den Top 8 etabliert. Der Schweizer Rekord könnte durchaus fallen, ein olympisches Diplom der Lohn dafür sein.
Es gibt kein Back-up, also heisst es: Vollgas!
Das weibliche Äquivalent zu Simon Ehammer hat den gegensätzlichen Weg zu jenem des Appenzellers gewählt. Kälin ist nicht nur Schweizer Rekordhalterin im Siebenkampf, sondern auch im Weitsprung. An Olympia setzt sie ausschliesslich auf den Siebenkampf. Dazu meint sie kämpferisch: «Hier wusste ich von Anfang an, dass ich mich entscheiden muss. Das macht es einfacher, voll auf den Mehrkampf zu setzen. Es gibt kein Back-up, also heisst es: Vollgas!»
Der Vater dämpft die Euphorie
Der Rückblick auf den Zehnkampf der Männer, bei dem ein «Favoritensterben» viele Türen öffnete, andere über sich hinauswuchsen und mit dem Norweger Markus Rooth sogar ein Aussenseiter Olympiasieger wurde, lässt Hoffnungen aufkommen. Hoffnungen, dass es bei den Frauen im Siebenkampf am Donnerstag und Freitag ähnlich turbulent zu- und hergeht, und dass Kälin sogar nach einer Medaille greifen kann.
Ihr Vater und Trainer Marco Kälin tritt auf die Euphorie-Bremse. «Es müsste schon sehr viel passieren, damit Bronze mit 6600 Punkten weggeht», sagt er. «Ich rechne mit 6700 Zählern und mehr für die Medaillen.» Kälin hievte den Schweizer Rekord an der EM 2022 in München auf 6515 Punkte und wurde dafür mit Bronze belohnt.
Will heissen: Selbst wenn ihr ein Traum-Wettkampf gelingt, ist eben die Medaille nicht garantiert. Die Amerikanerin Anna Hall (sie erreichte vor einem Jahr in Götzis fast 7000 Punkte) und die Belgierin Nafissatou Thiam (sie strebt den 3. Olympiasieg an) sind Extra-Klasse. Und dann folgen 4 weitere Namen mit mindestens 6600 Punkten in dieser Qualifikationsperiode.
Doch all diese hochgehandelten Konkurrentinnen haben etwas nicht, was Kälin hat: die Aussicht auf eine «eigene» Eishalle.