Michelle Andres ist komplett im Olympia-Fieber. Stolz zeigt sie ihre Fingernägel, bemalt in den Farben der fünf Ringe und – natürlich – einem Schweizer Kreuz.
Während die Spiele sich langsam dem Ende entgegen neigen, greifen Andres und ihre Partnerin, Aline Seitz, im Madison am drittletzten Tag ins Geschehen ein. Ziel ist am Freitag ein Diplom.
Dass wir uns so gut kennen, hilft extrem.
«Es war schon ein bisschen ein unwirkliches Gefühl», gibt Andres zu. «Wir sahen die Athleten am Fernsehen und hatten die gleichen Kleider an.»
Im Trainingslager hingen die beiden in ihrer Freizeit vor den Bildschirmen und fieberten mit. «Seit wir hier sind, bekommen wir nun viel weniger mit.» Vor drei Jahren in Tokio hatten sie die Qualifikation noch knapp verpasst, diesmal hat es geklappt.
Klare Rollenverteilung
Andres und Seitz sind ein echtes Powerduo. «Wir kennen uns, seit wir ungefähr 9 Jahre alt sind», erklärt die 3 Monate ältere Seitz. Sie wohnt in Buchs, Andres im 15 Kilometer entfernten Hägglingen. Beide waren einst im Mountainbike aktiv. Bei Leistungstests wurde aber festgestellt, dass ihre Fähigkeiten auf der Bahn besser zur Geltung kommen.
«Dass wir uns so gut kennen, hilft extrem», streicht Andres heraus. «Man kennt die Körpersprache der anderen und muss auch nichts vortäuschen.» Und man könne sich gerade heraus die Meinung sagen.
Die Rollenverteilung ist sehr klar. Andres ist die Taktikerin und Vorbereiterin, Seitz soll sprinten und für die Punkte sorgen. Im Madison fahren 16 Teams 120 Runden (30 km), alle zehn Runden gibt es einen Sprint, bei dem für die ersten vier Punkte vergeben werden.
Solche gibt es auch für ein Team, das eine Runde auf die anderen herausholt. Der Sieg geht an jenes Team, das am Ende am meisten Punkte auf dem Konto hat. Auf der Bahn ist nur jeweils eine Fahrerin pro Nation im Einsatz, es kann beliebig oft gewechselt werden.
Wir wollen versuchen, alles technisch und taktisch gut umzusetzen, dann gibt es auch ein gutes Resultat.
«Sie ist extrem professionell», schwärmt Andres von ihrer Partnerin. «Sie überlässt nichts dem Zufall, auf und neben dem Velo.» Ausserdem könne sie sich extrem gut quälen. «Aline kann 15 Mal sterben und trotzdem noch sprinten.»
Andres habe dafür einen «mega Durchhaltewillen», findet Seitz. «Und sie ist enorm rennschlau, sie kann das Rennen lesen und mir die Sprints optimal anziehen.»
Eine zweite Chance für Seitz
Typisch schweizerisch wollen sich die beiden nicht auf ein Rangziel festlegen. «Madison ist eine mega taktische Disziplin», erklärt Seitz. «Wir wollen versuchen, alles technisch und taktisch gut umzusetzen, dann gibt es auch ein gutes Resultat.» Andres fügt an: «Ein Diplom wäre cool.»
Für Andres und Seitz wird bereits mit der Teilnahme ein Traum wahr. «Das ist mega, mega cool», gerät Andres ins Schwärmen. «Das macht uns extrem stolz.»
Ihre Freundin und Teamkollegin erhält sogar noch eine zweite Chance. Seitz wird am frühen Sonntagnachmittag im Omnium die letzte Schweizerin sein, die an diesen Spielen um Medaillen kämpft.