Ganz zu Beginn der diesjährigen French Open stand Casper Ruud eher unfreiwillig im Mittelpunkt, als er in der 1. Runde die Karriere von Jo-Wilfried Tsonga beendete. Dem bodenständigen Norweger war es sichtlich unangenehm, den französischen Publikumsliebling in dessen Wohnzimmer in Rente zu schicken.
Deutlich grösseren Gefallen fand Ruud an seinen darauffolgenden Siegen, zum Beispiel an jenem in Runde 3 gegen Lorenzo Sonego. Gegen den Italiener hatte der 23-Jährige mit dem Rücken zur Wand einen 1:2-Satzrückstand noch drehen können. Weil er sich fortan von Spiel zu Spiel steigerte, blieb Ruud Ähnliches in den weiteren Runden erspart. Und so findet sich der Rechtshänder als erster Norweger überhaupt am Sonntagnachmittag auf der grösstmöglichen Tennis-Bühne wieder – im Final eines Grand-Slam-Turniers.
In einem Grand-Slam-Final gegen Rafa zu spielen ist etwas, wovon ich immer geträumt habe.
Das grosse Idol als letzte Hürde
Als wäre die Hürde in einem Major-Final nicht schon per se hoch genug, bekommt es Ruud in Paris mit Rafael Nadal auch noch mit dem besten Sandplatz-Spieler aller Zeiten zu tun. Für Ruud, der die «rote Asche» selbst auch als seine Lieblingsunterlage bezeichnet, könnte die Angelegenheit kaum spezieller sein. Von klein auf ist Nadal das grosse Vorbild des Norwegers. Daran hat sich bis heute nichts geändert. «In einem Grand-Slam-Final gegen ihn zu spielen ist etwas, wovon ich immer geträumt habe», meinte Ruud nach seinem Halbfinal-Sieg gegen Marin Cilic.
Obschon es auf der ATP-Tour bisher kein Rencontre zwischen den beiden gab, weiss Ruud bestens, was am Sonntag auf Court Philippe Chatrier auf ihn zukommen wird. 2018 – damals als Weltnummer 143 – verliess der Skandinavier zusammen mit seinen Eltern und seiner jüngeren Schwester die Heimat, um sich in Nadals Tennis-Academy auf Mallorca weiterzuentwickeln.
«Ich konnte mir dort die extra 10 oder 20 Prozent holen, die den Unterschied ausmachen können, ob ich später einmal in den Top 10 bin oder in den Top 60.» Das sagte Ruud vor zweieinhalb Jahren; mittlerweile ist er die Weltnummer 8, ab kommendem Montag wird er – unabhängig vom Final-Ausgang – die Nummer 6 sein.
Nadal | Ruud | |
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1. Runde |
s. Jordan Thompson 6:2, 6:2, 6:2 |
s. Jo-Wilfried Tsonga 6:7, 7:6, 6:2, 7:6 |
2. Runde |
s. Corentin Moutet 6:3, 6:1, 6:4 |
s. Emil Ruusuvuori 6:3, 6:4, 6:2 |
3. Runde |
s. Botic van de Zandschulp 6:3, 6:2, 6:4 |
s. Lorenzo Sonego 6:2, 6:7, 1:6, 6:4, 6:3 |
Achtelfinal |
s. Félix Auger-Aliassime 3:6, 6:3, 6:2, 3:6, 6:3 |
s. Hubert Hurkacz 6:2, 6:3, 3:6, 6:3 |
Viertelfinal |
s. Novak Djokovic 6:2, 4:6, 6:2, 7:6 |
s. Holger Rune 6:1, 4:6, 7:6, 6:3 |
Halbfinal |
s. Alexander Zverev 7:6, 6:6 w.o. |
s. Marin Cilic 3:6, 6:4, 6:2, 6:2 |
Schüler gegen Lehrer
Ermöglicht haben den steilen Aufstieg des Norwegers in den letzten 3 Jahren auch die harten Trainingseinheiten mit Nadal. «Wenn Rafa im Match 100 Prozent Intensität an den Tag legt, dann sind es im Training 120 Prozent. Er mag es, im Training hohes Risiko zu gehen, so kann er im Match einfacher justieren, falls nötig», so Ruud.
Genau das muss auch Ruuds Ziel sein, will er seinen «Lehrer» und sein grosses Idol entzaubern. Der Norweger muss Nadal aus der Komfortzone bringen und selber zuschlagen, sobald sich die Chance bietet. So hat es Ruud gelernt – nicht zuletzt auch im Zuhause seines Final-Gegners.