Als im Corona-Jahr 2020 letztmals kein Schweizer und keine Schweizerin die 2. Runde bei den US Open erreichte, riss eine eindrückliche Serie. Zuvor hatte nämlich seit Wimbledon 1995 immer mindestens jemand von Swiss Tennis die Startrunde bei den vier Grand-Slam-Turnieren überstanden.
Nun passierte es zum erst 2. Mal in den letzten knapp 30 Jahren, dass sich sämtliche Schweizer:innen in der 1. Runde verabschiedeten. Viktorija Golubic, Dominic Stricker und Stan Wawrinka gewannen zusammen nur einen Satz.
Die Frage stellt sich: Sind die fetten Jahre im Schweizer Tennis definitiv vorbei? Die Antwort: leider ja.
Was macht Bencic?
Dank Ausnahmeerscheinungen wie Martina Hingis (5), Roger Federer (20) und Wawrinka (3) gewann die Schweiz seit 1997 nicht weniger als 28 Grand-Slam-Titel im Einzel. Eine unglaubliche Bilanz für ein derart kleines Land. Dass die Schweiz aktuell über keinen Aktiven und keine Aktive mit dem Potenzial verfügt, ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen, steht ausser Frage.
Olympiasiegerin Belinda Bencic hätte absolut die Fähigkeiten dazu. Doch wann die 27-Jährige nach ihrer Babypause auf die Tour zurückkehrt und ob sie noch einmal an ihr früheres Leistungsvermögen herankommt, steht in den Sternen.
Doch es ist eigentlich sowieso weniger die Frage nach den absoluten Topshots, welche Sorgen bereitet, sondern jene nach der Breite dahinter.
Nur Golubic steht besser da als 2020
Rückblende: Als 2020 niemand von Swiss Tennis in New York in Runde 2 stand, war die Schweizer Tennis-Welt noch eine andere. Federer war zwar seit Februar verletzt und Wawrinka sowie Bencic hatten auf einen Start im «Big Apple» verzichtet, doch die generelle Ausgangslage war gleichwohl vielversprechend:
- Mit Bencic (WTA 10), Jil Teichmann (WTA 52), Stefanie Vögele (WTA 114), Golubic (WTA 123) und Leonie Küng (WTA 148) standen 5 Schweizerinnen in den Top 150 der Weltrangliste.
- Im Schatten der Superstars Federer und Wawrinka sorgten bei den Junioren Dominic Stricker und Leandro Riedi für Furore. Die beiden sollten sich einen Monat später bei den wegen Covid verschobenen French Open gar im Final duellieren.
4 Jahre später sind Federer und Vögele zurückgetreten, Bencic macht Pause, Wawrinka stellt gerade seine Karriere in Frage und Küng sowie Teichmann haben einen Absturz erlebt. Einzig Golubic steht besser da als 2020. Doch auch die ehemalige Weltnummer 35 scheint mit 31 Jahren ihren Zenit überschritten zu haben.
Kym bald die Nummer 1?
Wer also soll das Schweizer Tennis in Zukunft tragen? Allen voran Bencic, sollte sie auf die Tour zurückkehren – wovon auszugehen ist. In einem Interview in der NZZ am Sonntag stellte sie zuletzt ein Comeback in diesem Jahr oder Anfang 2025 in Aussicht. Potenzial haben auch Stricker und Riedi, doch bei den «Grossen» tun sie sich – auch aufgrund von Verletzungen – schwer.
Ein Hoffnungsträger ist Jérôme Kym (ATP 180), der in den letzten Wochen gross aufgespielt hat. Bleibt der 21-Jährige verletzungsfrei, könnte er schon bald die neue Nummer 1 bei den Schweizer Männern sein, denn Marc-Andrea Hüsler und Alexander Ritschard stagnieren.